Die Zwölf Türme (German Edition)
und dienen. Dann werdet Ihr unser General sein, dem die Ödlandstädte bedingungslos folgen werden. Seid Ihr immer noch bereit, Söldner?"
Richard gab darauf keine Antwort, sondern trat wortlos in das kleine Gemach hinein, worauf Assunta hinter ihm die Tür verriegelte.
Er brauchte nicht lange zu warten.
Plötzlich schwebte das Zepter, einem Streitkolben ähnlich, in Augenhöhe vor ihm, als würde es von unsichtbaren Händen gehalten. Es leuchtete in einem seltsamen, güldenen Licht und ihm war, als erklänge aus diesem Ding eine ihm auf eigentümliche Weise bekannte Melodie.
Langsam hob Richard die Hand, um das Zepter behutsam zu ergreifen.
Und dann wurde er gezwungen, jenem Wesen gegenüberzutreten, das er am meisten hasste:
SICH SELBST !
Als es vorbei war, fühlte er sich wie betäubt. Richard hatte sich zwar nie große Illusionen über sich selbst gemacht, doch die Intensität, mit der ihn das Zepter gezwungen hatte, sich selbst ohne jede verfälschende Illusion zu sehen, hatte ihn doch irritiert und schockiert.
Er brauchte eine ganze Weile, um diese Eindrücke zu verdauen und wieder zu sich zu kommen. Als er schließlich wieder in der Lage war, einen klaren Gedanken zu fassen, betrachtete er das Zepter in seiner Hand mit einer Mischung aus Staunen, Respekt und Misstrauen. Es fiel ihm schwer, dieses Metallding als lebendes Wesen zu betrachten, dessen Geist in sein Innerstes gedrungen war.
"War dies die Prüfung?" fragte er genau wie schon viele vor ihm, obwohl ihm bewusst war, dass diese Frage eigentlich völlig überflüssig war.
"Dies war die Prüfung", antwortete das Ding in seiner Hand, wobei er die Antwort allerdings nur in seinem Kopf wahrnehmen konnte, denn das Zepter kommunizierte mit in einer Form von Gedankenübertragung.
"Und?" fragte er weiter, "Erkennst du mich als deinen Träger an?"
"Du bist nun der neue Träger des Zepters und ich werde dir dienen, Söldner", wisperte es in seinem Gehirn, "Aber auch jetzt weiß ich nicht genau, was ich von dir halten soll. Du trägst etwas tief in deinem Geiste verborgen, was selbst mir unzugänglich geblieben ist. In dir ist etwas Mächtiges, von dem du selbst nichts zu ahnen scheinst.
Und noch etwas an dir erstaunte mich: Du bist boshaft und zynisch geworden und du weißt es selbst sehr genau. Es gibt nicht viele Menschen, die ihre böse Seite so gut kennen. Was mich vor allem verwundert, ist der Umstand, dass dir dieses Wissen über dich selbst eine Art von Befriedigung gibt, fast so etwas wie ein perverser Stolz. Ich weiß aber auch, dass diese Seite deines Wesens nur so stark werden konnte, weil deine Seele gebrochen ist und vielleicht nie mehr heilen wird. Dein ausgeprägter Sinn für Gerechtigkeit war mit den Realitäten deiner Welt nicht vereinbar. Daran bist du zerbrochen, so dass dein ganzes Leben nur noch ein Akt des Selbsthasses und der Verachtung jeglichen Glaubens an das Gute wurde. Nur so konntest du das werden, was du bist: ein Verächter des Menschlichen, der die Stimme seines Gewissens lange schon nicht mehr zu hören vermag.
Doch gerade wegen dieser Eigenschaften holte Myrddin dich hierher, denn damit bist du dem Dämonenlord Mohantur ebenbürtig, weil du ihm ähnlich wie ein Bruder bist. Ich bin sicher, dass du ihn besiegen kannst und nur deshalb werde ich dir dienen. Mein Wissen über die Nimmerwelt soll nun auch das deinige sein, als wärest du auf dieser Welt geboren. Meine Macht jedoch darfst du nur gegen die Magie der Finsternis richten, sonst muss ich dich töten, weil du diese Macht sonst unweigerlich missbrauchen würdest. Bedenke also, wogegen du meine Kraft einsetzen willst. Vergiss es niemals!
Von nun an werde ich nie mehr zu dir sprechen, denn sonst können deine bösen Wesenszüge auch auf mich übergehen und mich verderben. Ich hoffe, dass du siegen wirst, Söldner von der Anderwelt, auch wenn in deiner Gestalt diesmal DAS BÖSE auf unserer Seite kämpft."
Mit diesen Worten verklang das Wispern in seinem Kopf und das Zepter gab keine Antwort mehr, als Richard noch weitere Fragen zu stellen versuchte.
"Na gut", meinte er mit einem Schulterzucken, "dann bleibe stumm, mein seltsamer Helfer. Ich werde mich nicht darüber beschweren."
Dann wandte er sich zur Tür, um nach Assunta zu rufen, dass sie ihm öffnen möge.
Als Richard de Fries in Begleitung von Myrddin und der Hexe Assunta den Ratsaal der königlichen Zitadelle betrat, wurde er dort bereits mit Spannung erwartet.
Sobald die Versammelten
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