Die Zwölf Türme (German Edition)
lag es kaum in Richards Interesse, sich um derlei Dinge zu kümmern, doch durch das Zepter wusste er, dass die Kriegerinnen von Yathir einem Ehrenkodex unterlagen, der es ihnen verbot, sich mit einem Mann zu paaren. Taten sie es dennoch, so verloren sie ihren Status als Schwertfrauen. Vor allem für die Erste Kriegerin der Königin Mydea musste dieser Kodex gültig sein. Und hier verstieß Uta ganz offensichtlich gegen das Gesetz der Kriegerinnen.
Richard musste unwillkürlich grinsen. Mit der Einhaltung von Gesetzen und Normen schien man es auch auf dieser Welt nicht immer allzu genau zu nehmen.
"Vielleicht wird mir dieses kleine Geheimnis einmal nützlich sein", dachte er sich und ging schmunzelnd weiter.
Er richtete sein Augenmerk auf den nächtlichen Himmel, dessen Sternkonstellationen ihm völlig fremd waren, da sie nicht die geringste Ähnlichkeit mit dem irdischen Firmament hatten. Aber einen Mond gab es auch über dieser fremden Welt; irgendwie empfand er dies als einen tröstlichen Anblick.
Durch das Wissen des Zepters war ihm bekannt, dass sich diese Welt in einer anderen Zeit und in einem anderen Universum befand, obwohl er sich darunter nicht viel vorstellen konnte. Er hatte erfahren, dass die Zeit viele Dimensionen und Ebenen hatte und dass es in all diesen Existenzebenen ein anderes Universum gab, das jedes Mal auch eine eigene Variation der Erde in sich barg. Richard vermutete, dass auch die Nimmerwelt nichts anderes als eine Parallelwelt der Erde war und er fragte sich, wie viele Inkarnationen der Erde es in all den Ebenen des Multiversums wohl geben mochte.
Während er sinnend dahinschlenderte, bemerkte er plötzlich, dass vor ihm noch jemand über die Balustrade wanderte und genau wie er den Anblick des nächtlichen Mhaine genoss.
Als er sich der Gestalt näherte, erkannte er sie als Lady Byrgia, die Gesandte der Stadt Zantar. Von dieser Stadt wusste er durch das Zepter, dass es dort nicht nur eine berühmte Waffenschule, sondern auch eine ebenso berühmte Schule der Philosophie gab, die "Schule der Wahrheit".
Die kleine, braunhaarige Frau mit dem symphatisch-freundlichen Gesicht wandte sich ihm zu, als sie seiner Schritte gewahr wurde.
"Seid gegrüßt, General de Fries", empfing sie ihn, worauf Richard den Gruß höflich erwiderte und neben ihr an das Geländer trat.
"Gefällt Euch der Anblick einer Welt unter fremden Sternen?" fragte sie ihn.
"Das vermag ich noch nicht zu sagen", murmelte er, "denn dazu kenne ich diese Welt noch nicht gut genug, obgleich mir das Zepter alles notwendige Wissen übertragen hat. Vieles hier ähnelt den Dingen aus der Vergangenheit meiner Heimatwelt und doch ist alles ein wenig anders. Ich muss gestehen, dass mir diese Welt irgendwie so unwirklich wie das Gebilde eines Traumes erscheint."
"Vielleicht sind all unsere Wahrnehmungen nur Träume", meinte Byrgia, "und wir Menschen erfahren niemals, wie die Wirklichkeit wahrhaftig beschaffen ist."
"Das ist kein sehr angenehmer Gedanke", sprach er, "denn es bedeutete, dass nichts wirklich sicher ist, was wir zu erkennen glauben. Allein der Gedanke daran jagt mir Furcht ein."
"Ihr, ein Krieger und Söldner, redet von Furcht?" fragte sie scheinbar erstaunt.
"Auch Söldner haben Angst", meinte er leise, "Die Angst bestimmt unser ganzes Leben, sosehr wir sie auch zu verdrängen suchen. Wir kennen den Tod in vielerlei Gestalt und begegnen ihm immer wieder und doch fürchten wir ihn."
"Sind die Söldner Eurer Welt dasselbe wie unsere Freikrieger, die sich fremden Herren verpflichten, um Reichtum, Ruhm und Ehre zu erringen?" wollte sie wissen.
"Das ist fast richtig", nickte Richard, "Wir sind niemandem verbunden, solange wir nicht angemessen dafür bezahlt werden. Aber auf meiner Welt suchen Söldner nicht nach Ruhm und Ehre. Wir kämpfen nicht für Ideale, nicht für die Gerechtigkeit, auch nicht für eine so genannte 'gute Sache'. Die Söldner meiner Welt kämpfen nur für Geld, wobei es völlig gleichgültig ist, auf wessen Seite sie stehen."
"Würdet Ihr also auch für eine Sache kämpfen, von der Ihr wisst, dass sie falsch, ungerecht und böse ist?" fragte sie weiter.
"Ja", gab er zu ihrem Erstaunen zur Antwort, "sofern die Bezahlung hoch genug ist. Hätte mich Euer Feind angeworben, so stände ich jetzt auf seiner Seite, um gegen Euch zu kämpfen."
"Aber was ist mit Eurer Ehre, Eurem Gewissen?" hielt sie ihm entgegen, "Hat das für Euch keine Bedeutung?"
Er lachte bitter.
"Nein, Ehre ist etwas, woran ich
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