Die Zwölf Türme (German Edition)
totenstill. Alle waren zutiefst erschüttert über diese schreckliche Nachricht.
"Waren es die Thuronen?" fragte Richard in einem so gleichgültig klingenden Tonfall, dass jeder im Saal ihn vorwurfsvoll und unangenehm berührt ob seiner Ungerührtheit anstarrte.
"Nein", antwortete Gundahar ächzend und hustete, wobei ihm ein dünner Blutfaden über die Lippen rann, "es waren keine thuronischen Krieger, sondern eine riesige Horde blutrünstigen Mordgesindels, angeführt von den verfluchten Priestern des verbotenen Moloch-Kultes. Ein großer Teil von ihnen war bereits heimlich in die Stadt gelangt, bevor die größere Horde vor den Toren auftauchte. Wir wurden völlig überrascht. Die Mörderbande hat fast die gesamte Bevölkerung von Zantar auf bestialische Weise umgebracht und ihrem Gott Moloch geopfert."
"Unsere Königin ist tot und Ihr, der Schwertmeister der Königin, seid noch am Leben?" fragte Andoran vorwurfsvoll, "Ist es nicht die Pflicht des Schwertmeisters, seine Königin mit seinem Leben zu schützen oder auf derselben Erde wie sie zu sterben? Warum also lebt Ihr noch, Meister Gundahar?"
"Ich gehorchte dem letzten Befehl meiner Herrin", flüsterte der Todwunde, "Doch jetzt erfülle ich meinen Treueschwur."
Seine Faust öffnete sich. Ein Klumpen schwarzer Erde fiel auf den Boden. Gundahar machte einen Schritt nach vorn und setzte einen Fuß auf den Erdklumpen. Dann brach er zusammen und blieb reglos am Boden liegen. Der Schwertmeister hatte seinen Treueschwur gehalten. Er war auf derselben Erde wie seine Königin gestorben ...
Byrgia sank auf die Knie und beugte sich weinend über den Toten, während sich Andoran mit totenbleichem Gesicht an Richard wandte, der ausdruckslos auf den Leichnam blickte.
"Ich verlange Rache!" rief der zantarische Heerführer bebend vor verzweifelter Wut, "Die Mörder dürfen nicht davonkommen! Wenn Ihr mir Eure Hilfe verweigert, werde ich die fremde Horde mit meinen Reitern allein jagen."
"Beruhigt Euch, Heerführer", sprach Richard, "Ihr sollt Eure Rache haben, denn wir können es uns nicht leisten, eine solche Streitmacht im Rücken zu haben. Wir müssen sie zuerst vernichten, bevor wir uns den Thuronen zuwenden. Ich frage mich nur, woher diese Lumpenarmee so plötzlich gekommen ist und warum niemand ihren Anmarsch bemerkt hat."
"Das kann nur das Werk schwarzer Magie gewesen sein", murmelte die Hexe Assunta, "Nur auf diese Weise konnte so ein Mob mitten im Herzen des Ödlandes wie aus dem Nichts erscheinen. Mohantur muss wieder über seine alte Macht verfügen. Eine andere Erklärung habe ich nicht. Vielleicht aber hat der Dämonenlord auch Hilfe von den dunklen Göttern bekommen."
"Dann findet das heraus, verdammt noch 'mal!" brüllte Richard plötzlich unbeherrscht los, "Wozu habt Ihr denn Eure Magie? Ich will wissen, wie das passieren konnte und zwar schnell! In zwei Tagen sind wir abmarschbereit und bis dahin will ich wissen, woher diese fremde Meute kommt und wie sie hergelangt ist! Habt Ihr das verstanden, Ihr Zauberkünstler?"
"Ihr braucht nicht so zu brüllen, Söldner", erwiderte Assunta verärgert, "Morgen werden wir Euch sagen können, was dort wirklich geschehen ist. Bis dahin müsst Ihr Euch schon gedulden."
Sprach's und verließ mit den anderen Magiern den Saal.
Es war Nacht in Perum.
Einer der Knechte hatte Richards Pferd, eine braune Stute, gesattelt und vor die Stallungen geführt.
Als Richard sich in den Sattel schwang, erklang Myrddins Stimme hinter ihm.
"Wohin reitet Ihr noch so spät in der Nacht, General?"
Ohne sich nach dem Magier umzusehen, antwortete Richard: "Ich mache noch einen Ritt um das Heerlager, um die Wachen zu kontrollieren. Außerdem will ich mir etwas frischen Wind um die Nase wehen lassen, um einen klaren Kopf zu bekommen. Macht Euch keine Sorgen, Zauberer, ich werde bis zum Morgen wieder zurück sein."
Er gab seinen Tier die Sporen und trabte durch Straßen, um das nächste Stadttor zu erreichen und die Mauern von Perum zu verlassen. Myrddin schaute ihm nachdenklich nach, denn irgendetwas an Richards Verhalten beunruhigte ihn...
... als Richard die Zelte des riesigen Heerlagers hinter sich gelassen hatte und die Lagerfeuer nur noch kleine, glühende Punkte in der Dunkelheit waren, hielt er sein Pferd an und atmete tief die würzige Nachtluft ein.
Nicht Schlaflosigkeit hatte ihn zu diesem nächtlichen Ausritt bewogen, auch nicht das Bedürfnis, die Wachen zu kontrollieren. Er war aus einem ganz anderen Grunde
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