Die Zwölf Türme (German Edition)
Winde zu Dünen auftürmten, deren Kämme scharf wie Messerschneiden wirkten und sich in vollkommen geraden Linien von einem Ende zum anderen erstreckten. Eine geriffelte Sandwüste, in der nicht das geringste Anzeichen von Leben zu erkennen war, nicht die kleinste Pflanze oder das winzigste Geschöpf. Der Himmel war von einem so tiefen, reinen Blauviolett, wie man es manchmal am Abend auf dem Grunde eines tiefen Sees sehen konnte...
Dann kam wieder eine andere Tür, durch die er einen Vulkan sehen konnte, der mit entsetzlicher, aber völlig lautloser Heftigkeit vor einem dunkelgrünen Nachthimmel ausbrach ...
Durch eine weitere Öffnung bot sich ihm ein Ausblick auf eine stille Küste. Draußen, über ockergelbem Wasser, ging eine kleine rote Sonne in einem wüsten Reigen aus karmesinroten Wolken unter; eine andere Sonne, die größer und strahlend blau war, schien hoch oben am Himmel ...
Der fünfte Durchlass gewährte einen Ausblick von einem hochgelegenen Ort, von dem man auf eine Landschaft hinunterblickte, die in einen Sonnenuntergang getaucht war, der die Farbe einer neuen Liebe hatte. Dort erstreckte sich eine phantastische Ansammlung von kristallinen Formen, die eine Insel zwischen zwei Flüssen bildete; sie ragten kühn zu dem verschwenderischen Himmel empor wie Prismen aus Quarz oder Amethyst oder aus poliertem Bernstein, doch sie waren gekerbt und ziseliert, gemeißelt und gemustert und vom Sonnenlicht gesprenkelt. Sie wuchsen in allen Farben und Formen, ein Wald aus gigantischen Edelsteinen, Speere aus Opal und grüner Jade, Türme aus Obsidian. Sie fingen das letzte Tageslicht auf und spiegelten es aus tausend verschiedenen Richtungen wider, golden, rot, orange, rosa und in einem dämmerigen Königsblau; eine grandiose Darbietung der Kronjuwelen eines Gottes. In den stummen Regionen oben am Himmel lächelte eine Mondsichel einen Abendstern an, als die Sonne hinter den Horizont sank ...
"Gibt es das alles wirklich?" fragte Richard, fasziniert von all dieser Pracht, "Kann es so viel Schönheit geben?"
"Irgendwo in den vielen Ebenen des Multiversums gibt es das alles", antwortete LUZIFER, "und es ist ebenso wirklich wie du selbst, denn das Multiversum bietet eine solche Vielfalt von Welten, die sich selbst meiner Vorstellungskraft entziehen."
Hinter der nächsten Tür war es dunkel und in den endlosen Tiefen dieses Dunkels hingen zahllose Sterne. Es waren nicht die kalten, fernen Sterne einer irdischen Nacht, sondern riesige, flammende Schwärme von Sternen, heiß und schön und sie waren achtlos über grenzenlose, schwarze Weiten der Ewigkeit verstreut. Sie wirbelten aus einem gemeinsamen, lodernden Kern heraus und brannten hell wie ein plötzliches, heftiges Glücksgefühl ...
"All diese Türen werden für dich offen stehen, Crantor", sprach LUZIFER, "wenn du erst Regent dieser Welt bist. Du wirst ein Mächtiger unter den Mächtigen sein und zugleich ein Reisender zwischen den Welten, wenn es dir danach gelüstet. Ich hoffe, dass du mich nicht enttäuschen wirst, denn du bist mein Favorit in diesem Spiel der Macht, da ich es sehr begrüßen würde, wenn DU statt Mohantur der neue Chaosregent wärest. Das würde auch meine eigene Position unter den Lords des Chaos erheblich stärken."
"Ich werde Euch bestimmt nicht enttäuschen, hoher Lord", antwortete Richard, "Oder habe ich Euch in all den vergangenen Jahrtausenden jemals enttäuscht?"
"Nein", stimmte ihm LUZIFER mit wohl wollendem Lächeln zu, "du hast mich nie enttäuscht, Crantor. Darum habe ich ja auch auf dich und nicht auf Mohantur gesetzt, den ich ohnehin nur für einen Emporkömmling halte. Nun aber reite wieder zurück zu deinem Heer und führe die Affenbastarde in die Schlacht. Führe sie in den Untergang, denn dafür erwartet dich die Macht eines Gottes. Lebe wohl, Crantor. Spiel' das Spiel der Macht und kämpfe gut für mich."
Schlagartig war der Chaosgott mitsamt dem Haus verschwunden und Richard stand allein mit seinem Pferd in der Dunkelheit der Nacht...
Fast zur selben Stunde fanden sich die fünf Magier in einem der abseits gelegenen Räume des Königspalastes zusammen, um sich hier ungestört zu beraten.
"Haben Euch die Erdgeister verraten, woher die fremde Mörderhorde stammt und wie sie so plötzlich auftauchen konnte?" fragte Myrddin, an Rhemton gewandt, welcher versucht hatte, dieses Rätsel zu lösen, indem er die alten Erdgeister der Nimmerwelt beschworen hatte.
"Es war nicht leicht", meinte
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