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Die Zypressen von Cordoba

Die Zypressen von Cordoba

Titel: Die Zypressen von Cordoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yael Guiladi
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mein Vater es nicht mehr hat
erleben dürfen.«
    »Wäre Da'ud nicht in Leon gewesen, als ihn das Fieber ereilte,
er könnte vielleicht heute noch unter uns weilen.«
    »Vielleicht. Wenn ich mir auch niemals vergeben habe, daß ich
auf Da'ud gehört, meinen Besuch an jenem Sabbatnachmittag verschoben
und ihn so meiner tröstlichen Gegenwart in seiner Sterbestunde beraubt
habe, danke ich doch Gott, daß es ihm erspart geblieben ist, die
Schande meiner Verbannung aus dem Hause Ibn Yatom zu erleben.«
    »Wer weiß?« fragte sich Sari. »Er hätte sie vielleicht als
Segen betrachtet, so wie du selbst sie inzwischen siehst. Aber liebst
du Menahem so sehr, wie du ihn zu schätzen weißt?« fragte sie.
    »Ich habe es gelernt«, erwiderte Djamila und erhob sich
plötzlich, um das Gespräch zu beenden. Sari hatte mit ihrer Frage an
etwas gerührt, das sie sich selbst nicht eingestehen wollte. Denn trotz
des Grolls, den sie einmal gegen Da'ud gehegt hatte, konnte sie nicht
leugnen, daß er es vermocht hatte, sie in einen süßen Aufruhr der Liebe
und Leidenschaft zu versetzen, daß schon seine zarte Berührung
ausgereicht hatte, sie für ihn zu erwärmen, daß seine Distanziertheit
in ihr nur das Verlangen und die Begierde noch vergrößert hatte.
    Menahem hatte in ihr keine solchen wirbelnden Leidenschaften
erregt, keine Begeisterung entfacht. Hatte sie ihn zu leicht gewonnen?
fragte sie sich manchmal. Liebte sie ihn nicht so, weil sie sich nicht
bemühen mußte, ihn zu erobern, ihm zu gefallen, ihn zu halten? Aber er
besaß alle Eigenschaften, die sie brauchte, um ihr Leben neu
aufzubauen: Er war maßvoll, wo sie stürmisch war, vorsichtig, wo sie
waghalsig war, er schützte sie und war ungeheuer zuverlässig. Sie
konnte nicht behaupten, daß sie nicht geliebt und geachtet wurde. Sie
konnte sich nicht beklagen, daß er sie geringschätzte oder übersah. Und
wenn auch ihr Herz nie raste, ihre Sinne bei seinem Anblick nicht
erbebten, unter seinen ungeschickten Berührungen nicht entbrannten,
dann lag der Fehler nicht bei ihm, wahrscheinlich nicht einmal bei ihr.
Das Geheimnis der lodernden Leidenschaften lag anderswo, sie wußte
nicht, wo. Sie hatte längst aufgegeben, danach zu suchen, war fest
entschlossen, ihr Leben in ruhigen, gemächlichen Bahnen verlaufen zu
lassen.
    »Komm, laß uns Feigen für die Kinder pflücken«, sagte sie
fröhlich und ging auf einen Baum zu, der in der Nähe stand. Dalitha kam
sofort angerannt. Hai folgte ihr, nahm die runde, dunkelrote Frucht,
die Djamila ihm hinhielt, und strich mit einem seiner langen, feinen
Finger über den Flaum, der zart darauf lag. Sorgfältig öffnete er die
Feige und untersuchte das reife, rote Fleisch, ob auch kein Wurm darin
sei, ehe er eine Hälfte Dalitha reichte. Sie ahmte ihn nach und
betrachtete die Feige genau. »Oh, das sieht ja wie ein ganzes
Würmernest aus!« rief sie und schrak vor Ekel zurück.
    »Überhaupt nicht«, antwortete Hai. Er beugte sich nieder,
legte ihr einen Arm um die Schulter und ließ sie noch einmal hinsehen.
»Es ist wie der Bart eines alten Mannes, lauter wirre weiße und rote
Fäden.«
    »Dann sind die Samenkörner die Flöhe im Bart«, meinte Dalitha
starrköpfig und schauderte vor Widerwillen, während sie zusah, wie er
die Zähne in das süße, saftige Fleisch hieb.
    »Nein, das sind sie nicht. Es sind die Krümel von seinem
Frühstück.«
    »Amira, komm und schau dir das an!« rief das kleine Mädchen
ihrer älteren Halbschwester zu. »Hai sagt, das Innere einer Feige sieht
aus wie der Bart eines alten Mannes.«
    »Wenn Hai das sagt, dann muß es stimmen. Er hat doch immer
recht!« lachte Amira gutmütig, während sie Sari und ihrer Mutter half,
den gelben Weidenkorb zu füllen, der unter dem Baum stand.
    »Mach dich nur lustig!« erwiderte Hai und zog Amira
spielerisch am Ohr.
    »Hai ist immer so glücklich und so fröhlich, wenn er hier
ist«, vertraute Sari Djamila an, während sie sich niederbeugten, um die
gepflückten Feigen in den Korb zu legen. »So voller Lachen und
Leichtigkeit. Wenn seine Studien ihm nicht eine solche Last
auferlegten, er würde sicherlich mehr Zeit bei euch verbringen. Er
nutzt ohnehin schon jede Gelegenheit, um der lähmenden Nüchternheit und
Strenge unseres Hauses und den Launen Da'uds zu entfliehen.«
    »Da'ud verhält sich dir und Hai gegenüber launisch? Das kann
ich mir kaum vorstellen«, bemerkte Djamila mit einiger Überraschung,
während sie sich den schweren Korb auf die starken,

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