Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Zypressen von Cordoba

Die Zypressen von Cordoba

Titel: Die Zypressen von Cordoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yael Guiladi
Vom Netzwerk:
Schiff blieb der Kapitän kurz
stehen und lehnte seinen massigen Körper neben Ralambo über das
Heckbord. In einem seltenen Anflug von Gesprächigkeit erklärte er dem
hoch aufgeschossenen, dunkelhäutigen Passagier, man sei auf dem Weg
nach Piräus, wo man eine Ladung Weizen aufnehmen werde, die für den
Heimathafen des Schiffes, Venedig, bestimmt sei. Durch die kurz
aufgeflackerte Herzlichkeit des Seemanns ermutigt, fragte Ralambo ihn:
»Leben in einer dieser beiden Städte die weisesten Männer des Westens?«
    »Wenn Ihr weise Männer sucht, so müßt Ihr weiter reisen, als
Ihr vorhattet, so weit nach Westen, wie es nur geht, denn nur in
Córdoba könnt Ihr die größten Gelehrten des Mittelmeerraumes finden.«
    Ralambo wollte gerade fragen, wie weit es von Sevilla nach
Córdoba sei, aber da hatte sich der Kapitän schon abgewandt und seinen
Rundgang erneut aufgenommen.
    Einer nach dem anderen versammelten sich die restlichen
Passagiere an Deck. Es waren wohlhabende venezianische Kaufleute, die
sich leise miteinander unterhielten und den Sohn der Roten Insel
ignorierten, der nun mit angezogenen Knien auf seiner Lamba saß, die
Arme um die Beine geschlungen, die nackten Füße an den Knöcheln
gekreuzt, den starren Blick ins Nichts gerichtet. Gerne hätte er auch
sie gefragt, wo die weisesten Männer des Westens zu finden seien, aber
es war ein solcher Hochmut um sie, daß sie ihn einschüchterten. Dieses
Gefühl war ihm nicht neu. Als Sohn einer melanesischen Mutter und eines
afrikanischen Vaters war er von Kindesbeinen an von beiden Völkern
verachtet worden, die auf der Großen Roten Insel nicht gerade
freundschaftlich zusammenlebten, die Melanesier in den kühleren
Bergregionen, die Afrikaner entlang der heißen Küste. Auf der Suche
nach einer Zuflucht vor den Belästigungen beider Seiten, nach einem
Ort, wo er mit seiner zarten asiatischen Frau – ›meiner
kleinen Porzellanpuppe‹, wie er sie nannte – in Frieden leben
konnte, hatte sich sein Vater in den Ausläufern der Berge zwischen den
beiden Gebieten niedergelassen. Er hatte zurückgezogen gelebt. Inmitten
des üppigen immergrünen Regenwaldes und der violetten und blauen
Jacarandablüten, fasziniert von den winzigen Vögeln, deren glänzende
bunte Federn in der Sonne schimmerten wie Edelsteine in einer saftigen
grünen Fassung, hingerissen von den Schmetterlingen, deren zahllose
auffällige Muster ein Fest für sein schönheitsliebendes Auge waren,
hatte er sich kaum je in die weite Welt hinaus gewagt. Wenn Ralambo
immer von einer Reise in den Westen geträumt hatte, dann nicht nur,
weil er von Natur aus neugierig und rastlos war. Er wollte auch aus der
Abgeschiedenheit ausbrechen, in der er aufgewachsen war, und von der
Insel entkommen, zu deren beiden Volksstämmen er nicht gehörte. Im
Westen würde er ein Fremder sein, aber kein Ausgestoßener, der wegen
seines gemischten Blutes verachtet wurde.
    Gegen Abend versammelten sich die Matrosen auf dem Achterdeck
und ließen eine Korbflasche kreisen, aus der sie alle in langen,
schmatzenden Zügen tranken. In einer freundlichen Geste reichte einer
von ihnen die Flasche auch an Ralambo weiter, der so trank, wie er es
von den anderen gesehen hatte. Er schauderte beim Geschmack der
rötlichen Flüssigkeit, die ihm scharf auf der Zunge brannte, lächelte
aber anerkennend, um die Seeleute nicht zu beleidigen oder gar in ihren
Augen lächerlich zu erscheinen. Die Flasche ging einmal, zweimal,
dreimal, viermal herum, und Ralambo trank, wenn er an der Reihe war,
wie alle anderen. Dann jedoch begannen seine Wangen zu glühen, es
drehte sich ihm alles vor Augen, und ihn überfiel eine unerklärliche
Müdigkeit. Leise zog er sich aus dem Kreis der lauten Matrosen zurück,
legte sich auf seine Lamba und fiel in trunkenen Schlaf bis zum Mittag
des nächsten Tages.
    Demitrios ging unruhig auf und ab, immer auf
und ab im halbmondförmigen Hafen von Rhodos. Er war ein Opfer seiner
eigenen Unentschlossenheit. Wie oft durfte ein Mann sein Schicksal
herausfordern? fragte er sich, hatte immer noch nicht ganz begriffen,
wie er den unaussprechlichen Schrecken heil hatte entkommen können, die
er seit seiner Ankunft in Chasarien durchlebt hatte. Der König hatte
ihn herbeigerufen, damit er dessen kranken Bruder behandelte. Doch
einen Tag zuvor waren Berichte eingetroffen, daß die Russen auf den Don
zu marschierten. Bei seiner Ankunft im herrlich vergoldeten Palast
hatte man ihm nicht einmal genug Zeit gelassen, sich zu

Weitere Kostenlose Bücher