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Die Zypressen von Cordoba

Die Zypressen von Cordoba

Titel: Die Zypressen von Cordoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yael Guiladi
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baden und nach
der langen Reise aus Byzanz ein wenig zu erfrischen.
    »Wir müssen in aller Eile in die Festung Sarkel«, hatte ihn
König Judah gedrängt und ihn rasch durch eine Reihe goldener Kammern
geführt, die verlassen waren, da die Elite des Königreiches in die
Schlacht gezogen war. Der gedrungene, bärtige Herrscher hatte ihm die
Zügel eines kräftigen Pferdes gereicht, dem man eilig einen
Sattelteppich übergeworfen hatte, und ihm knapp erklärt: »Solche
Überfälle häufen sich in letzter Zeit. Die Russen versuchen uns zu
zermürben, damit sie uns eines Tages ganz erobern können, um einen vor
fünfzehn Jahren begonnenen Plan zu vollenden. Wir erwarten, daß sie wie
immer in Sarkel angreifen, wo man den Fluß durch die Sümpfe und über
die Furten am leichtesten überqueren kann. Wir müssen die Russen
unbedingt zurückdrängen, ehe sie einen Fuß auf unser Territorium
setzen. Dank der Festung, die Eure Landsleute vor über einem
Jahrhundert dort für uns errichtet haben, sind wir ihnen bisher immer
erfolgreich entgegengetreten, aber wir haben keine Zeit mehr zu
verlieren.«
    »Was ist aber mit Eurem Bruder?«
    »Als ehemaliger Oberbefehlshaber des Heeres hat er sich
kategorisch geweigert, hierzubleiben. Ich habe ihn auf einer Trage
vorausgeschickt. Unsere Haupttruppen sind im Morgengrauen aufgebrochen.
Wenn Ihr schnell reitet, könnt Ihr sie noch einholen. Wir treffen uns
in der Festung«, schloß er und stampfte davon, um einer
Kavallerieeinheit, deren feurige Pferde schon ungeduldig mit den Hufen
scharrten, seine Befehle zu erteilen.
    Es war alles ein grauenvoller Irrtum gewesen. Dieses Mal war
das Auftauchen der Truppe, scheinbar nur ein weiterer Überfall im
Zermürbungskrieg der Russen, lediglich ein Ablenkungsmanöver gewesen,
um die Chasaren in Richtung Nordwesten zu ihrer flußaufwärts gelegenen
strategischen Festung zu locken. In der Zwischenzeit drangen die
Haupttruppen der Russen von Süden her das Tal des Don hinauf und
überrannten problemlos die schwach besetzten Festungen, die König Judah
dort zurückgelassen hatte. Als ihn die Nachricht vom vollen Ausmaß der
Katastrophe erreichte, waren König Judah und seine Mannen bereits
umzingelt. Sie konnten den russischen Angreifern, die Zeit gehabt
hatten, sich gegenüber von Sarkel auf dem rechten Flußufer auf erhöhtem
Gelände einzugraben, nichts entgegensetzen. Es war keineswegs einer der
üblichen Überfälle, vielmehr war diesmal der Angriff auf die Festung
der Chasaren Teil einer großen russischen Offensive, mit der man das
heiß begehrte Königreich in die Knie zwingen wollte.
    Anstatt den Bruder des Königs zu behandeln, der auf der Reise
nach Sarkel sein Leben ausgehaucht hatte, kümmerte sich Demitrios nun
um die Verwundeten, die wenigen ›Glücklichen‹, die die Kämpfe und die
erbarmungslosen Sümpfe des Flußtals überlebt hatten, wo die Schlacht
getobt hatte. Von morgens bis abends und bei Nacht sogar im flackernden
Schein einer einzigen Kerze hatte er gebrochene Knochen geschient,
Wunden versorgt und versucht, mit freundlichen Worten das Los
derjenigen zu lindern, für die er nichts mehr tun konnte. Was für eine
völlig andere Welt, als sich um die Blähungen der reichen
byzantinischen Händler zu kümmern oder um die Migräne ihrer
verzärtelten Frauen, für die er auf Abruf bereitzustehen
hatte …
    Eines Nachts, als er gerade einem Soldaten, dem er das Bein
abgenommen hatte, den groben Beißkeil zwischen den Zähne herausnahm,
kam der König und kniete sich neben ihn. Sein Bart war zerzaust, die
Augen blutunterlaufen, die Kleider zerrissen und mit Schlamm bespritzt.
Er zog den Arzt in eine Ecke des Behandlungsraumes, packte Demitrios
bei der Schulter und begann eindringlich zu sprechen.
    »Ich weiß nicht, was in der morgigen Schlacht mit mir und
meinen Leuten wird, aber welches Schicksal uns auch immer erwartet, Ihr
sollt es nicht teilen müssen. Soeben wird ein kleines Ruderboot mit dem
wenigen Proviant, den wir entbehren können, auf dem Fluß zu Wasser
gelassen. Ihr müßt unverzüglich im Schutze der mondlosen Nacht darin
fliehen. Wenn Euch die Russen gefangennehmen, so wird Euch Euer
ärztliches Geschick retten. Ich erbitte nur eine Gegenleistung für
diese Chance, Euer Leben zu retten. Wer weiß, vielleicht ist es mein
letzter Wunsch.«
    Er packte Demitrios' Schulter noch fester, als er mit wild
glühenden Augen hastig fortfuhr: »Es ist ungeheuer wichtig, daß das
Schicksal meines Königreiches jenseits des

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