Die Zypressen von Cordoba
gut
sichtbaren zarten weißen Händen, die sicherlich keine harte Arbeit
kannten, all das verriet eine wohlhabende Frau von Stand, die es sich
wohl hätte leisten können, Hai zur Behandlung in ihr Heim zu bitten.
Als Hai erschien, um seinen nächsten Patienten aufzurufen, deutete Sari
mit einer diskreten Handbewegung auf die Frau, doch er gab vor, das
Zeichen nicht zu bemerken. Wer immer sie war, sie mußte warten, bis sie
an der Reihe war.
Mittag war schon vorüber, als die Dame schließlich in Hais
Arbeitszimmer vorgelassen wurde. Mit einer raschen Handbewegung warf
sie ihren Schleier ab, war sich sicher, daß der Sohn des Da'ud ibn
Yatom sie erkennen würde, als sie die goldenen Locken schüttelte, die
ihr über den Rücken fielen.
»Prinzessin Subh!« rief Hai aus, denn er erinnerte sich
lebhaft an die Beschreibung, die sein Vater von der Schönheit des
glänzenden Haares der baskischen Prinzessin gegeben hatte, das sie
weich umfloß, sich mit ihr bewegte, das die Sonne zu reinem goldenem
Licht aufzulösen schien. »Ich hätte nie erwartet, Euch hier zu sehen.«
»Da Ihr Euch so störrisch weigert, am Hof meines Sohnes zu
erscheinen und unser Leibarzt zu sein, bleibt mir keine andere Wahl,
als Euch hier aufzusuchen.«
»Was bringt Euch zu mir, geehrte Prinzessin?«
»Ihr müßt doch von der schrecklichen Wendung gehört haben, die
die Dinge im Reich meines Sohnes Hisham, des rechtmäßigen Herrschers,
genommen haben.«
»Es erreichen mich von Zeit zu Zeit Gerüchte, aber meine
Arbeit nimmt mich so sehr in Anspruch, daß ich kaum die Muße habe, sie
zu überprüfen.«
»Dann will ich Euch aus erster Hand die Wahrheit berichten.
Der Regent Ibn Abi'Amir ist im Begriff, die Verwaltung des Kalifates
von unseren Palästen in Córdoba und der Medina Azahara in den neuen
Palast zu verlagern, den er sich errichtet hat und – mit
unglaublicher Unverschämtheit – Medina Azahira genannt hat.
Das ist der letzte Schritt in seinem Plan, Hisham von allen
Angelegenheiten des Reiches abzuschneiden und zu demonstrieren, wer im
Kalifat wirklich die Macht hat. Um diese unglaubliche, widerrechtliche
Übernahme der Macht von Hisham, dem rechtmäßigen Herrscher, zu
rechtfertigen, hat er das Gerücht in Umlauf gebracht, mein Sohn habe
beschlossen, ein Leben in Frömmigkeit zu führen, und habe ihm die
Herrschaft über das Reich übertragen.«
Puterrot vor Empörung spuckte Prinzessin Subh ohne große
Zeremonie auf die Bodenkacheln – ein Ausdruck ihres glühenden
Hasses auf den offiziellen Vormund ihres Sohnes. Dieses Gefühl stand
der leidenschaftlichen Liebe in nichts nach, die sie für den Regenten
nach al-Hakams Tod – wenn nicht, wie manche meinten, schon
vorher – empfunden hatte. Während ihrer Witwenzeit hatte er
sie beschützt und beraten, hatte ihren elfjährigen Sohn vor den
Machenschaften von al-Hakams Bruder bewahrt, als der mit einer
Verschwörung dem einzigen männlichen Erben des toten Kalifen den Thron
zu entreißen versuchte.
»Wie sehr der Regent uns ausgenutzt hat, da wir so schwach und
vertrauensvoll waren! Wie geschickt er das Kind verdorben hat, zu
Ausschweifungen der Sinne verlockt hat, kaum daß sich der erste dunkle
Flaum auf seiner Oberlippe zeigte. Jetzt, mit sechzehn Jahren, ist
Hisham bereits übersättigt von allen Lockungen, die der königliche
Harem bieten kann. Ihn langweilen diese profanen Vergnügungen so sehr,
daß er sich nach anderer Befriedigung umsieht. Schon hat er sich
Männern zugewandt, und während ich zusehen muß, wie er unaufhaltsam in
schlimmste Verderbtheit hinabgleitet, fürchte ich, daß ihn schon bald
nach den reinen, unschuldigen Körpern kleiner Jungen gelüsten
wird …«
Während er sich den Wortschwall der Prinzessin geduldig
anhörte, dankte Hai Gott für die Eingebung, sich von den herrschenden
Kreisen Córdobas fernzuhalten. Der Erzintrigant und meisterliche
Ränkeschmied Ibn Abi'Amir hatte sich vom Verwalter der Güter und
Einnahmen des einzigen Sohnes von al-Hakam zum Posten des hajib , des Großkämmerers, des mächtigsten Würdenträgers im ganzen
Reich, hochgearbeitet. Um sich die Unterstützung von Ghalib, dem
mächtigsten Militär des Kalifates, zu sichern, hatte er listig dessen
Tochter geheiratet. Als nächstes hatte er sich daran gemacht, die
konservativen muslimischen Juristen auf seine Seite zu ziehen, eine
Aufgabe, bei der ihm seine juristische Ausbildung hervorragende Dienste
geleistet hatte. Mit eigener Hand hatte er den gesamten Text des
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