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Die Zypressen von Cordoba

Die Zypressen von Cordoba

Titel: Die Zypressen von Cordoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yael Guiladi
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Koran
abgeschrieben und danach die Tat begangen, die in Hais Augen das
übelste Verbrechen auf seinem skrupellosen Weg zur Macht war: Er hatte
Werke, die von unbeugsamen Vertretern einer starren Auslegung der
muslimischen Gesetze für gotteslästerlich erklärt wurden, aus der
Bibliothek entfernt, die al-Hakam und Da'ud unter so großen Mühen
zusammengetragen hatten, und sie ohne viel Federlesens verbrennen
lassen. Wie viele Leichen den Weg des Ibn Abi'Amir säumten, wußte Hai
nicht, wollte es auch gar nicht wissen … Aber die Prinzessin,
die ihrem Zorn Luft gemacht hatte, wandte sich nun direkt an ihn.
    »Ihr seid der Sohn des Mannes, der Vertrauter meines armen
verstorbenen Mannes und dessen Vaters vor ihm war, Ihr seid trotz Eurer
Jugend ein berühmter Arzt, und so wende ich mich nun an Euch mit der
verzweifelten Bitte, meinen Sohn aus dem Zustand tiefster Lethargie und
Machtlosigkeit zu befreien, zu dem ihn sein Vormund auf so zynische
Weise verurteilt hat. Alles, was Hisham noch geblieben ist, sind die
Segenssprüche auf ihn als den Kalifen in den Freitagsgebeten und sein
Name auf den Münzen des Kalifats, dem er nur mehr zum äußeren Schein
vorsteht.«
    »Geehrte Prinzessin, ich würde Euch nur zu gern helfen, aber
ich bin nur ein bescheidener Arzt, kein Höfling, der seinen Einfluß
geltend machen kann.«
    »Ich wende mich an Euch als Arzt. Ich möchte, daß Ihr Hisham
einen Trank verschreibt, der ihn aus seiner Starrheit aufrüttelt, der
seine Neigung zu sinnlichen Vergnügungen löscht und ihn dazu anregt,
endlich gegen den Mann vorzugehen, der ihm seine Macht geraubt hat.«
    Es war ein unglaubliches Ansinnen! Seit Menschengedenken
hatten Herrscher Ihre Leibärzte um Liebestränke gebeten, aber das
Gegenteil? Das war noch nie dagewesen. Außerdem war Hai so wenig wie eh
und je gewillt, irgendeinen Kontakt zum Hof aufzunehmen, der wie nie
zuvor von Intrigen und Verschwörungen heimgesucht war. Erst vor einigen
Tagen hatte ihm ein christlicher Söldner im Dienst des Regenten, den er
wegen eines schweren Falls von Ruhr behandelte, angedeutet, es stünde
eine Konfrontation zwischen Ibn Abi'Amir und seinem Schwiegervater
General Ghalib unmittelbar bevor, dem Mann, der ihm vor einigen Jahren
erst zur Macht verholfen hatte. Der unrechtmäßige Machthaber hatte
bereits Berbertruppen aus Afrika zur Verstärkung gerufen, und nach
Meinung des Soldaten gab es keinen Zweifel über das Ergebnis dieser
Konfrontation. Ibn Abi'Amir war so siegessicher, daß man ihn schon den
Titel hatte aussprechen hören, den er nach triumphaler Schlacht zu
führen gedachte: al-Mansur bi-Allah, ›Der, den Gott siegreich gemacht
hat‹. Was konnten sich die Prinzessin und ihr verweichlichter Sohn
angesichts eines so intelligenten, mächtigen, schlauen und skrupellosen
Menschen erhoffen, dessen ungeheurer Ehrgeiz jegliches Hindernis aus
dem Weg fegte? Trotz seiner Skepsis versuchte Hai mit professioneller
Integrität zu antworten.
    »Ich muß Eure Bitte überdenken, geehrte Prinzessin. In meiner
kurzen Erfahrung als Arzt hat man mich bisher noch nie gebeten, ein
Mittel zu verabreichen, das genau die gegenteilige Wirkung eines
Aphrodisiakums hätte. Ich muß die Sache sorgfältig bedenken. Inzwischen
möchte ich jedoch vorschlagen, daß man den Herrscher der Gläubigen zu
regelmäßiger Bewegung anregt und ihm nahelegt, andere Interessen zu
kultivieren, die seinen Neigungen entsprechen.«
    »Er hat keine, außer der Befriedigung seiner Sinne.«
    »Sicherlich könnt Ihr, seine Mutter, die ihn besser als jeder
andere Mensch kennt, ihn zu irgendeiner anderen Beschäftigung
verlocken – Falkenjagd, Schach, die Komposition eines
prinzlichen Verses?«
    »Den er seinem neuesten Liebhaber widmen kann, meint Ihr? Das
habe ich alles bereits versucht. Ich komme heute aus purer Verzweiflung
zu Euch.«
    »Ich werde die Werke der großen Meister der Antike studieren,
in dem aufrichtigen Wunsch, Euch zu helfen. Doch ich bezweifle, daß
irgendein Mittel Wirkung zeigen kann, wenn Eurem Sohn der Wille fehlt,
selbst etwas zu verändern.«
    Mit einem resignierten Seufzer erhob sich die Prinzessin zum
Gehen. Der einzige Mensch im Reich, an dessen Aufrichtigkeit sie keinen
Zweifel hegte, hatte ihre Meinung bestätigt. Es gab nichts mehr zu
sagen. Langsam legte sie ihren Schleier wieder an, ehe sie einen
wohlgefüllten Beutel aus dem Ärmel zog und auf Hais niedrigen
damaszener Tisch setzte. Hai nahm den Beutel sofort auf und gab ihn

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