Die Zypressen von Cordoba
ihr, ihrerseits ein wenig Saris
Rolle zu übernehmen und zu verhindern, daß die Bande der Zuneigung, die
Hai und Amira seit ihren Kindertagen vereinten, nun für immer zerrissen.
»Wir haben sogar zwei Eheschließungen zu besprechen«, sagte
sie leichthin. »Laßt uns eine Doppelhochzeit feiern, ein großes Fest
hier draußen im Garten, so fröhlich und offen, wie Mutter es mag.«
»Und was ist mit dem Glanz und Prunk der größten jüdischen
Familie in ganz Spanien, in die du einheiraten willst?« erkundigte sich
Menahem sachlich.
»Das hat doch nichts mit Hai und mir zu tun«, protestierte
Dalitha.
»Vielleicht nicht, aber die Umstände erlegen euch gewisse
Beschränkungen auf.«
»Im Gegenteil, wenn wir wirklich die größte Familie sind, dann
können wir uns die Freiheit nehmen, den Lebensstil zu wählen, der
unseren Neigungen am ehesten entspricht. Hai und ich haben schon längst
entschieden, daß wir unsere Hochzeit hier draußen feiern möchten.«
Djamila wurde ganz warm ums Herz, als sie in ihrer jüngeren
Tochter, die in so vielem anderem ihrem geduldigen, gelehrten Vater
mehr ähnelte, einen Funken ihres eigenen unabhängigen Geistes
aufflammen sah. Doch das Alter und die Erfahrung hatten sie gelehrt,
ihre spontanen Eingebungen zu mäßigen und vorsichtig zu sein.
»Ich denke, wir sollten warten, bis wir alles mit Hai und Sari
besprochen haben«, riet sie nüchtern.
»Es muß doch eine Möglichkeit geben, alle zufriedenzustellen«,
beharrte Dalitha.
»Wie wäre es mit einer förmlichen Doppelhochzeit in Hais Haus
für all die Würdenträger und dann einem fröhlichen Familienfest hier
draußen für uns am Tag danach?«
»Ich heirate nicht unter dem Dach der Ibn Yatom!« platzte
Amira heraus, und die ganze Bitterkeit über die Demütigungen ihrer
Kindheit floß in diese wütende Weigerung.
Diesmal trat Menahem dazwischen. »Du kannst deine Herkunft
nicht verleugnen, Kind. Im Gegenteil, du solltest stolz darauf sein.
Was für Fehler dein Vater auch immer hatte, er war ein wirklich großer
Mann. Es ist also nur recht und billig, daß du dich mit seinem Hause
versöhnst, ehe du in Sevilla ein neues Leben beginnst.«
»Ich brauche mich nicht mit meinem kleinen Halbbruder zu
versöhnen«, knurrte Amira. »Er ist vielleicht der Vorstand des
Haushaltes, aber für mich bleibt er immer der kleine Junge, mit dem ich
Murmeln gespielt habe.«
»Und warum willst du dann nicht in seinem – in
unserem – Haus heiraten?« murmelte Dalitha, und ihre Stimme
bebte vor Emotionen.
Gegen dieses Argument konnte Amira nichts vorbringen.
Schließlich stellten sich, als der Tag des Besuches gekommen
war, die Sorgen, die jeder in der Familie aus ganz eigenen Gründen
gehegt hatte, als völlig unbegründet heraus. Mit seiner natürlichen
Schlichtheit und seiner wachen Aufmerksamkeit für die Gefühle anderer
erreichte Hai, daß alle sich sofort wohl fühlten, und die Wärme und
Herzlichkeit seines Willkommens vertrieb alle unguten Gefühle. Die
gleiche fröhliche und lebhafte Atmosphäre, die immer bei den
Familientreffen im kleinen Haus vor der Stadt geherrscht hatte, umfing
sie nun auch hier am Sabbattisch im Haus der Ibn Yatom. Im Gegensatz zu
Amiras Befürchtungen hatte sich Hais Einstellung ihr gegenüber in
keiner Weise geändert. Nur die Umgebung war eine andere – was
allen Anwesenden deutlich vor Augen führte, was weltliche Güter
wirklich wert waren …
Hai begrüßte die Nachricht von Amiras bevorstehender Hochzeit
und legte die Summe als Mitgift fest, die ihr Vater schon lange für sie
bestimmt hatte. Dann war Menahem an der Reihe.
»Djamila und ich wünschen, daß Dalitha in aller Würde
verheiratet wird.« Wie ähnlich ihnen das sieht, dachte Sari und
erinnerte sich an das Geschenk zu Hais Bar Mizwa. »Wir werden älter,
und die Landarbeit fällt uns zunehmend schwer. Jetzt, da unsere beiden
Töchter aus dem Haus sind, haben wir beschlossen, nach Lucena zu
ziehen, wo man mir an einer der religiösen Akademien eine Stelle als
Lehrer für hebräische Philologie und Grammatik angeboten hat. So fällt
also unser kleines Häuschen an dich zurück, Hai, und das Einkommen
daraus soll die Mitgift unserer Tochter sein.«
»Aber das Haus gehört doch euch!« rief Hai in einiger
Verwunderung. »Hat Vater euch nicht mitgeteilt, daß er es von den Erben
der verstorbenen Witwe Tamara für euch gekauft hat?«
»Nein«, antwortete Menahem abrupt, schmerzlich berührt davon,
daß sein früherer Mäzen ihn über
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