Die Zypressen von Cordoba
ihr
zurück.
»Donnerstags ist mein Rat kostenlos«, sagte er. »Verteilt das
Geld unter den Armen, die Euch unterwegs begegnen.«
Die Nacht war schon weit fortgeschritten, als endlich der
letzte Patient das Haus verließ. Sari war noch auf, wartete darauf, mit
Hai einen Spaziergang am Wasserlauf entlang zu machen, wie sie das so
oft mit Da'ud getan hatte, und noch ein wenig mit ihm zu reden. Wie
vorauszusehen war, erkundigte sie sich gleich nach dem heimlichen
Besuch der feinen Dame. Hai mußte sie nicht erst darum bitten,
niemandem etwas von all dem zu erzählen, ehe er ihr seine Unterhaltung
mit Prinzessin Subh wiedergab. Die Diskretion war tief in der Familie
verwurzelt.
»Wie seltsam«, meinte Sari, als Hai seinen Bericht beendet
hatte, »wie seltsam, daß es ausgerechnet eine Baskin war, die al-Hakam
so spät noch einen Sohn geschenkt hat.«
»Eine Vorliebe, die er vielleicht von seinem Großvater geerbt
hat.«
»Ja. Die gleiche unwiderstehliche Anziehungskraft, die aus der
Verschiedenheit kommt – eine blonde Schönheit in
atemberaubendem Kontrast zu den glutäugigen Arabermädchen und den
sinnlichen Slawinnen, die seinen Harem bevölkerten. Weißt du«,
sinnierte sie, »ich habe mich oft gefragt, ob es auch dieser
Unterschied war, oder vielmehr der Reiz des Neuen, der deinen Vater an
jenem Tag auf dem Sklavenmarkt so magisch zu mir hingezogen hat.«
»Nicht sein Mitgefühl mit dir?«
»Das natürlich auch. Aber all das liegt in der fernen
Vergangenheit, und die Erinnerung macht uns nur traurig. Wir wollen von
unseren heutigen Sorgen sprechen. Sag mir, mein Sohn, in welchen Palast
wirst du nun den Großen Theriak liefern?«
»In den alten Palast von Córdoba, wie immer, bis ich andere
Anweisungen bekomme.«
»Anweisungen von wem? Von der Marionette, die sich Kalif
nennt, oder von dem zukünftigen al-Mansur, der die Macht hat?«
»Ich glaube nicht, daß es so weit kommen wird. Der Regent ist
zu schlau, um sich in Dinge einzumischen, die auf die Ausübung der
Macht keinen Einfluß haben. Die Tatsache, daß er seit dem Tod des
Kalifen die Jugend, Unerfahrenheit und Willensschwäche des Jungen noch
nicht ausgenutzt hat, um Kalif zu werden, ist Beweis genug, welchen Weg
er zu wählen gedenkt. Indem er die Macht hinter dem Thron bleibt, macht
er sich nicht so viele Feinde, als wenn er das Herrscherhaus der
Omaijaden offen herausforderte.«
»Ich hoffe, daß du recht behältst, und bete, daß du dich nie
zwischen den beiden entscheiden mußt.«
»Das, liebe Mutter, ist genau der Grund, warum ich mich vom
Hofe fernhalte.«
»Eine wahrhaft weise Entscheidung, mein Sohn. Und wie geht es
deinen Aloen?«
»Sie wachsen und gedeihen besser, als wir es je erwartet
hätten. Treiben eine Unmenge scharlachroter Blüten, die wie glühendrote
Eisen aus dem dichten, gerollten Blätterwerk hervorwachsen. Es ist, als
wäre das Haus in einen leuchtenden grünen und roten Umhang gehüllt.«
»Ich hatte befürchtet, daß die Pflanzen in dem strengen Winter
letztes Jahr Schaden genommen hätten.«
»Wir auch, aber sie waren beinahe unbeschadet, wieder ein
Beweis, wie zäh und lebensstark sie sind. Noch ein Jahr, und dann
sollten wir genügend neue Blätter haben, um den Saft aus den älteren
Blättern abzuzapfen und in der Augustsonne zu trocknen. Wenn alles gut
geht, ist dann der Extrakt im Winter so weit, daß wir ihn den Patienten
geben können.«
»Ich habe mich gefragt, warum du keine Versuche mit dem
Extrakt gemacht hast, den der Kapitän in dem alten Holzkästchen
mitgebracht hat.«
»Ich war oft in Versuchung, aber ich wollte keine Behandlung
anfangen, ehe ich nicht sicher wußte, daß wir aus unserer eigenen
Pflanzung ständig Nachschub bekommen würden. Die Erfahrung, die wir mit
Vater gemacht haben, hat mich davon abgehalten.«
»Du brennst sicher darauf, endlich mit den Beobachtungen
anzufangen.«
Hai blieb stumm. Seine langen schmalen Finger zupften nervös
an einem störrischen Zweig, der aus der ansonsten sorgfältig
beschnittenen Silhouette der Zypresse ragte.
»Was hast du auf dem Herzen, mein lieber Junge?«
»Was mir schon immer Sorge gemacht hat. Wir wissen nach wie
vor nicht, ob die Aloe-Art, zu der Ralambo unsere Männer geführt hat,
wirklich diejenige ist, aus der die ursprüngliche Probe des Extrakts
gewonnen wurde, den wir Vater verabreicht haben. Selbst wenn Ralambo
Wort gehalten hat, werden sich dann die Eigenschaften des Extrakts als
so stark erweisen, wie wir es gern glauben
Weitere Kostenlose Bücher