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Die Zypressen von Cordoba

Die Zypressen von Cordoba

Titel: Die Zypressen von Cordoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yael Guiladi
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ihre Gebrechlichkeit in vollem Ausmaß
offenbar geworden. Plötzlich bemerkte er, wie zögerlich ihre Bewegungen
geworden waren, wie schwach ihr Augenlicht, wie bebend ihre Stimme. Und
nun dieser letzte Schicksalsschlag. Wenn sie jetzt nicht liebevoll von
ihrer Familie umhegt wurde, fürchtete er, würde sie ihn nicht überleben.
    Sari nahm seine Entscheidung ohne Murren hin. Nachdem sie die
erste Trauer über Amiras Tod überwunden hatte, verbrachte sie ihre Tage
in der ruhigen Melancholie der Resignation, saß in der Sonne, um ihre
alten Glieder zu wärmen, streichelte über den Kopf ihres Enkels, um ihn
in seiner Unruhe zu besänftigen, hörte geduldig ihrem Sohn zu, wenn er
zu ihr kam und ihr von den Zweifeln, den Verzögerungen und
Enttäuschungen erzählte, die ihn bei seinen unermüdlichen Bemühungen
plagten, seine Vermutungen zu beweisen. Immer wieder sagte er, die
unendliche Vielfalt menschlichen Seins verwirre ihn bei seinen
Forschungen zutiefst.
    »Warum hat ein Mensch einen so starken Lebenswillen, daß er
ihm die Kraft verleiht, um sein Überleben zu kämpfen, während der
andere voller Verzweiflung ist und stirbt? Was ist mit dem Alter, was
mit den Privilegierten, die wohlgenährt und in guten Häusern leben und
umsorgt werden, was mit den anderen, die arm und unterernährt in den
furchtbarsten Behausungen ihr Leben fristen? Und was ist mit der Liebe,
die dem einen im Übermaß geschenkt wird, der Gleichgültigkeit, die
anderen entgegengebracht wird? Das alles entzieht sich meiner Kenntnis,
ganz zu schweigen von einem meßbaren Einfluß dieser Dinge auf meine
Patienten, wenn ich auch überzeugt bin, daß all das mit entscheidet, ob
sie überleben oder sterben.«
    »Du verlangst zuviel von dir, mein Sohn«, antwortete Sari dann
mit einem verzweifelten Seufzer. »Du hast schon so viele gerettet und
so vielen anderen Trost geschenkt. Du solltest damit zufrieden sein.«
    »Ich werde niemals zufrieden sein. Das blinde Vertrauen, das
mir die Leute entgegenbringen, ängstigt mich. Jeden Tag erlebe ich, wie
wirkungslos meine Bemühungen im Kampf gegen die Mächte ist, die gegen
mich angetreten sind. Ich allein weiß, wie viele Patienten ich nicht
heilen konnte, und ihre Gräber sind stumme Zeugen meiner Unfähigkeit,
die Grausamkeit der Natur gegen den Menschen zu besiegen, und eine
bittere Anklage gegen meine Anmaßung, das tun zu können. Je mehr
Erfahrungen ich sammle, desto größer ist meine Verzweiflung über das
Chaos der Schöpfung. Was für ein wundersames Geschöpf der Mensch doch
ist, wie kompliziert, und doch wie vollkommen ist er zusammengefügt.
Nur ein göttlicher Geist kann ihn so erdacht und geschaffen haben.
Warum dann hat diese Höchste Macht, die ihn ins Leben gerufen hat, es
zugelassen, daß Unordnung diese Vollkommenheit stören darf? Zu welchem
Zweck hat der Allmächtige das menschliche Leid in seine Schöpfung
eingeführt? Ich habe genug davon gesehen, um zu wissen, daß es bei der
Verteilung von Krankheit und Leiden keine Gerechtigkeit gibt, daß nicht
zwischen den Ehrenwerten und den Bösen unterschieden wird, zwischen den
Aufrechten und den Verderbten. Wenn ein so vollkommenes Geschöpf ins
Leben gerufen wurde, warum wurde dann die Unvollkommenheit geschaffen,
um es zu zerstören?«
    »Ruhig, mein Sohn«, flüsterte Sari und legte ihre inzwischen
beinahe durchsichtige, von feinen Adern durchzogene Hand auf die Hand
ihres Sohnes, um seine gequälte Seele zu beruhigen. »Jahrelang habe ich
deinen Vater, möge seine Seele in Frieden ruhen, ähnliche Fragen
stellen hören. Er hat sie mit Philosophen und Gelehrten aller
Glaubensrichtungen und Religionen diskutiert. Aber selbst die weisesten
unter ihnen wußten keine zufriedenstellende Erklärung abzugeben.
Schließlich hat er die Frage außer acht gelassen, war es zufrieden, die
Leiden, die in Gottes Schöpfung auftraten, zu lindern, wo er konnte.«
    »Und den unergründlichen Plan Gottes zu vereiteln?«
    »Nein, mein Sohn. Die Fähigkeiten zu nutzen, mit denen Gott
ihn gesegnet hatte, um die Leiden seiner Mitmenschen zu lindern.«
    »Aber warum gibt es überhaupt Leiden?« beharrte Hai störrisch.
»Warum bleiben einige davon verschont und dürfen friedlich in ihren
Betten sterben, während andere eine unendlich schwere Last tragen und
unter schrecklichen Schmerzen sterben müssen?«
    »Darauf habe ich keine Antwort. Ich bin eine alte Frau und
habe gelernt, das Unabänderliche zu akzeptieren, anstatt mich dagegen
aufzulehnen. Weisere

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