Die Zypressen von Cordoba
zwischen der Endgültigkeit des Todes und dem unverwüstlichen
Drang nach Leben. Er mußte sich von diesen Gedanken befreien, mußte sie
aufs Papier bannen, um endlich Ruhe zu haben. Fast wie von selbst fand
er die richtigen Worte, kaum daß er die Feder ergriffen hatte.
Ich betracht' den Himmel und die Sterne,
Sehe Dinge, die sich nun am Boden krümmen,
Und in meinem Herzen weiß ich wohl,
Daß sie einem guten Plane folgend einst gemacht.
Der Himmel gleicht der Laube wohl. Schaut nur hinauf
Und seht dort Tücher aufgehängt mit Haken, Ösen.
Und Mond und Sterne sind dem Hirtenmädchen gleich,
Das Schafe auf dem freien Felde grasen läßt.
Vor den Wolken scheint der Mond ein Schiff zu sein,
Das unter vollen Segeln weite Meere überquert.
Die Regenwolke gleicht der Jungfer, die im Garten
Einher spaziert und ihre Myrrhensträuchlein wässert.
Des Nachttaus Wolken sind wie Mädchen, die, den Kopf bewegend,
Beim Schütteln tausend Perlentropfen gleißen lassen.
All jene, die auf dieser Erde leben, gleichen Tieren,
Die schweren Schrittes auf den Stall, die Scheune zugeh'n .
Sie alle woll'n der Todesangst entflieh'n ,
Wie Turteltauben sich im Schrecken Adlers Klauen rasch entzieh'n .
Doch mit der Zeit ergeht es ihnen wenig besser als dem Teller,
Der leicht zerbricht und in den Staub getreten wird – das ist
ihr Los.
Als er die letzten Zeilen geschrieben
hatte, erbarmte sich seiner der Schlaf.
Früh am nächsten Morgen folgten die Tuchhändler, die ihre
Vorräte prüften, um sich auf den Tag vorzubereiten, und die Handwerker,
die ihre Werkzeuge auf den Arbeitstischen auslegten, dem Fremden mit
den Augen, als er aus dem Judenviertel ausritt und sein Roß in Richtung
Norden zum Albaicin lenkte. Schnell machte das Gerücht von einem zum
anderen die Runde: Der Mann hatte mit dem Hof des Prinzen zu tun.
Welcher Art wohl seine Geschäfte waren? Das war ein Geheimnis. Die
Spekulationen überschlugen sich und nahmen noch zu, als Amram an jenem
Abend nicht zurückkehrte. Und weder am nächsten Tag noch am
übernächsten.
Erst Mitte der folgenden Woche tauchte er wieder auf, und
inzwischen waren die Juden von Granada gründlich verwirrt. Doch niemand
wagte es, den Neuankömmling zu befragen, so verschlossen schien er
ihnen. Drei ganze Monate vergingen: Immer verbrachte er ein, zwei Tage
in Granada, meist bei den Berbern am Albaicin, dann folgte wieder die
gleiche unerklärliche tagelange Abwesenheit.
Die Verwunderung der Juden wuchs. Aber das war alles noch gar
nichts verglichen mit ihrem Erstaunen, als sie eines Tages mit weit
aufgerissenen Augen sahen, wie er an der Spitze eines langen Zugs von
Maultieren in das Judenviertel einritt, an der Seite eine hinreißend
schöne junge Frau. Jetzt, da eine Gattin in den Haushalt des Fremden
eingetreten war, würden die Ehefrauen sein Geheimnis im Nu lüften,
frohlockten die meisten. Die reichen Händler waren weniger entzückt.
Viele von ihnen hatten Amram als möglichen Ehemann für eine ihrer
heiratsfähigen Töchter beäugt. Ibrahim war der erste unter ihnen, aber
zu seinem großen Kummer erkannte er auch als erster mit seinen flinken
Augen die Braut, sobald sie vom Pferd stieg und ins frühere Heim seiner
Eltern eintrat. Die Art, wie sie ging, eine Art wiegendes Schwanken,
leicht zurückgeneigt, war unverwechselbar. Bei ihrem Anblick sank sein
Herz. Es war Leonora, die älteste Tochter seines Freundes und Kollegen
Joseph ibn Aukal aus Málaga. Für dieses wunderschöne Geschöpf war schon
seit langer Zeit sein einziger Sohn als Gatte bestimmt gewesen. Da
hatte sich also dieser schweigsame Eindringling dazwischengedrängt und
sie ihm fortgenommen! Kein Wunder, daß er so verschlossen gewesen war!
Allmächtiger Gott, wie naiv er gewesen war, seinen schmeichlerischen
Worten Vertrauen zu schenken! Wie ahnungslos! Er hätte wahrhaftig
schlauer sein müssen, hätte begreifen müssen, daß etwas im Busch war.
Aber damit sollte die Sache nicht abgetan sein, das schwor er sich.
Weit gefehlt! Der geschätzte Herr hatte zuviel als selbstverständlich
vorausgesetzt. Dachte er wirklich, daß Ibrahim derlei einfach hinnehmen
würde?
Amram widmete sich der Kunst der Liebe mit
dem gleichen Anspruch auf Vollkommenheit wie allen anderen Dingen, die
er in Angriff nahm. Als guter Menschenkenner hatte er sich eine Gattin
ausgewählt, bei der er einen Ehrgeiz spürte, der, wie es sich für
Frauen geziemte, verborgen war, dem seinen aber durchaus entsprach. So
wie sie ihm darin ähnelte, war sie ihm
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