Die Zypressen von Cordoba
Reise
reichlich entlohnen.«
»In diesem Falle geht es nicht um Geld. Kommt heute Abend
wieder hierher, und dann gebe ich Euch meine Antwort.«
Alle Blüten, die auf den Seiten der
botanischen Abhandlungen abgebildet waren, über die Da'ud den Rest des
Tages gebeugt saß, schienen in einem tiefblauen Meer zu versinken, in
einem Meer von der Farbe von Saris Augen, schienen dann aufzusteigen
und vor seinen Augen zu schweben. Mit der gleichen unerbittlichen
Selbstdisziplin, mit der er während der Audienz beim Kalifen seine
Gefühle bezähmt hatte, versuchte er nun, seine Gedanken von der
Verwirrung zu befreien, die das Mädchen in ihm ausgelöst hatte. Wieder
und wieder versuchte er die Vorstellung zu zügeln, die seine Phantasie
in ihm heraufbeschwor: Sari, wie sie in nur wenigen Jahren aussehen
würde, die Brüste gerundet, die Hüften sanft geschwungen, die Lippen
leicht geöffnet wie die Blütenblätter einer Blume, begierig, die Wärme
des Lebens in sich aufzusaugen. Plötzlich erschien ihm sein der
Gelehrsamkeit geweihtes Leben kalt und öde. Wäre nicht die Drohung
gewesen, die über ihm schwebte, er hätte seine Bücher augenblicklich im
Stich gelassen, Sari gesucht und zu einem Spaziergang am Flußufer
eingeladen …
Am Ende eines erfolglosen Tages beim Studium der Bücher kehrte
er zum verabredeten Treffpunkt zurück, wo der Händler und das Mädchen,
einander locker bei der Hand haltend, bereits auf ihn warteten. Als sie
ihn erblickte, ließ Sari die Hand des Händlers los und kam auf Da'ud
zu, voller Zurückhaltung, aber nicht widerstrebend. Er erinnerte sich
nicht, je eine solche Freude verspürt zu haben.
»Wir sprechen bei meiner Rückkehr wieder miteinander«, sagte
der Kaufmann. Zerstreut nickte Da'ud zustimmend, nahm Saris Hand leicht
in die seine und führte sie nach Hause.
Während der folgenden Wochen sah Da'ud nur
wenig von seiner Schutzbefohlenen. Sie war beinahe ausschließlich der
Sorge seiner Mutter anvertraut, lebte im Frauenflügel des Hauses und aß
genau wie die anderen Frauen nur am Sabbat mit Ya'kub und ihm. Von
Woche zu Woche beobachtete er ihre Fortschritte in der arabischen
Sprache, die Sola ihr unendlich geduldig mit Gesten und ermunterndem
Lächeln beibrachte. Obwohl sie sich mit Leichtigkeit in den Haushalt
der Ibn Yatoms einfügte, blieb Sari weiterhin still und zurückgezogen,
hielt stets den Blick zu Boden gesenkt, die Schultern gebeugt, ließ die
langen, schmalen Hände locker zwischen den Knien hängen, wenn sie nicht
gerade mit einer Hausarbeit beschäftigt war. Die einzige Reaktion, die
Da'ud manchmal erkennen konnte, war das Aufflackern staunender
Überraschung über die Wärme und Zärtlichkeit, mit der seine Mutter sie
behandelte.
Er selbst forschte unverdrossen weiter nach dem
geheimnisvollen handakuka. Morgens stand er schon
in der Dämmerung auf, streifte durch die Lande und befragte spanische
Bauern, arabische Kräuterheiler, berberische Hirten und slawische
Ackerbauern, kehrte jedoch jeden Abend unverrichteter Dinge heim. Erst
wenn sein Vater ihm versicherte, daß wieder kein Bote gekommen war, der
ihn vor den Kalifen zitierte, atmete er ein wenig auf. Jeder Tag, der
verstrich, brachte den Bezoar-Stein ein wenig näher, und mit ihm die
einzige Hoffnung, ein wenig Zeit zu gewinnen … Die Nächte
waren für Da'ud genauso unruhig wie die Tage, denn da spukten ihm Saris
blaue Augen durch die Träume, Augen, die so still waren wie seine
eigenen, Augen, die ihm nichts von der Kindheit erzählten, die sie
erlebt hatte – wenn sie überhaupt so etwas wie eine Kindheit
gekannt hatte. Wenn der Kaufmann wieder Ansprüche auf sie erhöbe, dann
würde sie ihr Schweigen mit sich nehmen und ihn mit nichts als seiner
quälenden Phantasie zurücklassen, mit der Vorstellung, wie sie als
heiratsfähige junge Frau aussehen würde, einer Vorstellung, die ihn
seit dem Augenblick, als er sie zum erstenmal erblickte, nicht
losgelassen hatte. Aber wenn sie sich zum Bleiben entschied, dann würde
er sie mit Geduld und Zärtlichkeit aus der Reserve locken, würde ihr
Vertrauen einflößen, bis sie bereit war, sich ihm zu öffnen.
Am Vorabend eines Sabbats verfolgte er gerade schweigend die
grazilen Bewegungen ihrer langen, schlanken Glieder, während sie sich
herabbeugte, um das fein gearbeitete Ledertuch über den Tisch zu
breiten, als ihn der Vater aus seiner Träumerei riß.
»Da'ud, mein Sohn, trotz deiner großen Müdigkeit, die sich in
deiner Abwesenheit beim heutigen
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