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Die Zypressen von Cordoba

Die Zypressen von Cordoba

Titel: Die Zypressen von Cordoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yael Guiladi
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Abendgebet gezeigt hat, muß ich dich
doch bitten, der Gemeinde morgen einen Dienst zu erweisen. Rabbi
Zacharia ist unwohl, und niemand sonst ist gelehrt genug, um am
Nachmittag die Talmudstunde zu übernehmen. Du als einer unserer
glänzendsten Gelehrten und als mein Sohn wirst ihn morgen vertreten
müssen.«
    »Wie du wünschst, Vater.«
    »Ich habe dir ein Exemplar der Traktate aus der Bibliothek der
Synagoge mitgebracht.«
    »Welcher Text wird morgen behandelt?«
    »Ketubot, 77 b.«
    »Ist das nicht der Abschnitt über die Hautkrankheit, die zu
Zitteranfällen führt?«
    »Das könnte schon sein«, erwiderte Ya'kub, der vor den Frauen
nur sehr ungern seinen Mangel an Wissen offenbarte.
    »Es ist schon lange her, daß ich diesen Text studiert habe,
aber ich bereite ihn morgen früh vor. Mutter, sag Yusuf, er soll mich
morgen in der ersten Tagesdämmerung wecken, wenn ich da nicht bereits
auf den Beinen bin.«
    Diese Vorsichtsmaßnahme erwies sich als überflüssig. Lange vor
Tagesanbruch kämpfte sich Da'ud aus einem fürchterlichen Alptraum ins
Wachen, starrte mit vor Schreck geweiteten, verstörten Augen auf die
Bücher auf dem Tisch, auf die Pflanzen des Einsiedlers auf der
Fensterbank, in dem verzweifelten Versuch, seine Gedanken in der festen
Wirklichkeit zu verankern, während der Schrecken des Traums ihn noch in
den Klauen hielt.
    »Handakuka!« hatte der todgeweihte Einsiedler ihm mit einem
abschätzigen Lachen aus seinem zahnlosen, weit aufgerissenen Maul
zugerufen. »Ich sag dir, was das ist. Gib mir nur Sari, daß sie mir die
alten Knochen wärmt wie seinerzeit die Abischag dem David. Sie ist eine
zarte Pflanze, die mit liebenden Händen gepflegt werden muß«, grinste
er lüstern und streckte die eisigen, knochigen Finger nach ihr aus.
    »Nein!« schrie Da'ud und stellte sich schützend vor das
Mädchen.
    »Ja!« vernahm er hinter sich eine donnernde Stimme. Als er
sich umdrehte, sah er den Kalifen, der ein blinkendes Schwert aus der
juwelenbesetzten Scheide zog und es über seinem und Saris Kopf
schwenkte. »Ich kann nicht mehr länger warten. Gib sie ihm, oder ihr
habt beide euer Leben verwirkt«, drohte er und legte Da'ud die kalte
Klinge an den Nacken.
    »Gnade, o Herrscher der Gläubigen! Nur noch einen einzigen
Tag!« hatte er gerufen und war von seinem eigenen unterdrückten
Traumschrei aufgewacht. Immer noch schweißgebadet, wollte er sich
gerade auf den Weg in die Badekammer machen, als Yusuf leise ins Zimmer
trat, um ihn zu wecken. Er spürte, wie verstört sein junger Herr war,
und massierte ihn kurz, während das Badewasser erwärmt wurde. Dann half
er ihm beim Baden und Ankleiden und brachte ihm, als er sich zum Lesen
hinsetzte, einen Teller Obst, Milch und ein Stück frisch gebackenes
Sabbatbrot.
    Erfrischt schlug Da'ud das Talmudtraktat auf und blätterte die
viel gelesenen Seiten durch, bis er den Abschnitt gefunden hatte, den
er studieren sollte. Rasch las er den hebräisch-aramäischen Text,
dessen Worte, die er in seiner frühen Jugend genau betrachtet hatte,
ihm nun wieder in Erinnerung kamen: »Was ist die Heilung für die
Zitterkrankheit? Pila , ladanum , die Rinde eines Nußbaums und abgeschabte Späne von einer
gegerbten Haut, akalil malka und der Blütenkelch
eines roten Dattelbaums.« Als er die Seite umblätterte, fiel ihm ein
Stück Papier, das vom Alter schon ganz durchscheinend und vergilbt war,
auf das Knie. Zerstreut hob er es auf und warf nur einen flüchtigen
Blick auf die ordentlichen, kantigen hebräischen Buchstaben, die darauf
gerade eben noch sichtbar waren. Doch dann bemerkte er etwas Seltsames.
Er schaute noch einmal genau hin, wollte den Augen kaum trauen. Einen
Augenblick lang standen all seine Gedanken still, waren unfähig, das
aufzunehmen, was vor ihm lag, aber schon bald konnte er wieder klar
denken. Er konzentrierte all seine Kräfte auf die schattenhaften Wörter
und las langsam: »Akalil malka, das heißt Hadnakuka.« Da stand es,
starrte ihm von einem brüchigen Stück Papier ins Gesicht, das so alt
war, daß es schon bald zu Staub zerfallen würde. Durch einfaches
Vertauschen von zwei Buchstaben wurde aus hadnakuka das Wort handakuka – akalil malka! Das
kannte er. Auf Arabisch hieß es ilklil al-malik , die Königskrone. Die Römer nannten es beim gleichen Namen, corona
realis , was sich im Laufe der
Jahrhunderte zum Romanischen coronilla verschliffen
hatte. Und das war nichts anderes als der gemeine Steinklee, melilot , dessen skorpionartige

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