Die Zypressen von Cordoba
entschieden, fürs erste bei uns zu bleiben«,
sagte seine Mutter mit warmer Stimme.
»Nur fürs erste?« erkundigte sich Da'ud beunruhigt.
»Der Kaufmann, der sehr um ihr Wohl besorgt ist, hat uns
gebeten, daß sie sich ihm jederzeit wieder anschließen darf, wenn sie
das möchte. Er kommt einmal im Jahr durch Córdoba, meinte er, und würde
uns dann jedesmal besuchen und sich nach ihr erkundigen. Er hat das
hier für dich dagelassen«, fügte sie hinzu und deutete auf einen großen
Lederbeutel, der auf dem Boden neben ihr lag. »Er meinte, es würde bis
zu seiner Rückkehr im nächsten Jahr reichen.«
»Hat er gesagt, was ich ihm schuldig bin?«
»Nein. Er wollte nicht bis zu deiner Rückkehr in Córdoba
verweilen, und weil er unsere Familie kennt und ihr vertraut, hat er
gesagt, er wolle sich das geschuldete Geld im nächsten Sommer abholen.«
Sola stand auf, nahm ihren Sohn beim Arm und ging langsam mit ihm über
den Innenhof, so daß Sari sie nicht mehr hören konnte. »Ich hatte das
Gefühl, daß Saris Wunsch, hier bei uns zu bleiben, ihn außerordentlich
betrübt hat. Ich verstehe ihn vollkommen. Eine zartere, gelehrigere
Seele habe ich nie gekannt. Es ist, als könnte sie alle meine Wünsche
vorausahnen, sie erfüllen, ehe ich sie ausgesprochen habe. Ob sie aus
Dankbarkeit oder aus Furcht so handelt, habe ich noch nicht
herausgefunden, denn manchmal, wenn ich ihr ganz sanft einen Fehler
erkläre, sehe ich die nackte Angst in ihren Augen. Und wenn ich sie
dann zu beruhigen versuche, scheint sie überrascht, als hätte sie
erwartet, für ihren Fehler bestraft und nicht getröstet zu werden. Sie
scheint auch kein Verlangen nach den Dingen zu haben, die deinen
Schwestern so große Freude bereitet haben. Neulich wollte ich ihr einen
wunderschön bestickten Gürtel schenken, aber sie hat ihn nicht
angenommen, beinahe als stünde ihr derlei nicht zu. Sie scheint am
glücklichsten, wenn sie wie jetzt einfach nur ruhig und still
dasitzt – sie ist so bescheiden«, seufzte Sola und schüttelte
traurig den Kopf. »Wir, die Glücklichen, halten dies für
selbstverständlich. Wer weiß, was ihre Seele so verletzt hat, welche
Tragödie ihr das genommen hat, was ihr als Mensch zusteht?«
»Das werden wir mit der Zeit sicher herausfinden«, meinte
Da'ud nachdenklich, als sie zu Sari zurückgingen. Er mußte die Hände
fest auf dem Rücken verschränken, um nicht einem Impuls nachzugeben und
dem Mädchen die prächtigen rostbraunen Locken zurückzustreichen, die
ihr in die Stirn gefallen waren, als sie sich über ihre Arbeit beugte.
Geduld, gebot er sich. Nach und nach, Schritt für Schritt würde er auch
dieser Herausforderung entgegentreten und sie bezwingen wie all die
anderen. Eines Tages würden diese meerblauen Augen sich voller Liebe
auf ihn richten, würde ihre Leidenschaft so stark werden wie die seine.
7
H errlich in seiner schlichten Eleganz saß
der Kalif aufrecht auf dem niedrigen goldenen Thron, das linke Bein
untergeschlagen, das rechte Knie angehoben. Zu jeder Seite stand ein
schwarzer Eunuch. Der getreue Mustapha wedelte mit der Fliegenklatsche,
sein stummer Geselle schwenkte einen Fächer aus Elfenbein. Gereizt, wie
Abd ar-Rahman war, hätte er gut und gerne auf die unaufhörlichen
Handreichungen der beiden verzichten können, aber sie waren Teil des
Hofzeremoniells, das ihm so am Herzen lag, und so hatte er keine andere
Wahl, als die ständige Geschäftigkeit zu ertragen, die ihn dauernd
umgab. Sein Zorn hätte beinahe den obersten Techniker den Kopf
gekostet, aber da er niemanden sonst hatte, der über genug Wissen
verfügte, um mit der gestrigen Katastrophe in der Medina Azahara fertig
zu werden, hatte er Milde walten lassen müssen. Am Tag zuvor war, kurz
bevor er eine Gesandtschaft aus Byzanz empfangen sollte, eines der
Hauptwasserrohre in der neuen Palaststadt geborsten. Die Überschwemmung
hatte den gesamten Palast in helle Aufruhr versetzt, hatte nicht nur
die Werkstätten für Gold- und Elfenbeinarbeiten beschädigt, sondern
auch, was am schlimmsten war, den Platz überflutet, wo binnen kurzem
die neue Münze eingerichtet werden sollte. Unter Androhung
schrecklichster Strafen hatte man sämtliche Würdenträger, Wachleute,
Sklaven und Eunuchen zusammengepeitscht und zur Arbeit angetrieben. Sie
hatten den ganzen vergangenen Tag und die Nacht hindurch geschuftet, um
einen Empfang im alten Stadtpalast vorzubereiten, der dem Ruhm ihres
Monarchen zur Ehre gereichen würde. Jetzt war alles an Ort
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