Die Zypressen von Cordoba
hatte die Lebensgrundlage seiner
jüdischen Glaubensgenossen zerstört, die sich heute um Hilfe an ihn
gewandt hatten. Und doch lag ein gewisser Trost in der Tatsache, daß
seine Stellung bei Hof zumindest den Juden in Córdoba Sicherheit
garantierte, daß sie den Opfern des Kampfes zwischen den Omaijaden und
den Fatimiden in anderen Gebieten von Abd ar-Rahmans Reich eine sichere
Zuflucht bot.
Gereizt verscheuchte er eine Fliege, die um seinen Kopf
surrte, und fegte sie in Richtung Fenster, damit sie Sari nicht
belästigte, die friedlich neben ihm schlummerte. Wie wunderschön sie
noch immer war, beinahe unverändert seit ihrem Hochzeitstag. Ihre Haut
war noch so glatt und durchscheinend, ihr rostbraunes Haar noch so
üppig und glänzend, ihre Gliedmaßen so schmal und
zerbrechlich – das zarte Pflänzchen, das er noch nicht zum
Blühen gebracht hatte, trotz aller Liebe und Leidenschaft, mit der er
sie überhäuft hatte. Wie anders war sie als diese junge Flüchtlingsfrau
von der marokkanischen Hochebene, deren offener, lebendiger Blick und
aufrechte Haltung von einer gesunden Lebenslust und dem Verlangen
sprachen, alles voll auszukosten, was das Leben zu bieten hatte. Und
Djamila ihrerseits, wie anders war sie als die Töchter aus den
angesehenen jüdischen Familien von Córdoba – lebendig, wach,
ohne eine Spur müder Passivität. Sie kam aus einer bescheidenen
bäuerlichen Familie, hatte wohl auf dem Hof ihren Teil der Aufgaben
übernehmen müssen, hatte gelernt, ums Überleben zu kämpfen und, wenn
sein Gefühl ihn nicht trog, dabei den Entschluß gefaßt, nach Besserem
zu streben. Ihre ganze Haltung drückte ihren jugendlichen Drang aus,
sich in der reichen und glänzenden Stadt Córdoba eine bessere Stellung
zu erobern, obwohl sie nur die Tochter eines bescheidenen
Neuankömmlings war.
Wieder einmal ein romantischer Jugendtraum, der sich nicht
erfüllen würde? überlegte er, als seine Gedanken zu dem Gespräch
zurückwanderten, das er mit seinem Vater geführt hatte. Eine zweite
Frau … Aber wer? Welche von den heiratswilligen jungen Frauen
Córdobas würde sich einverstanden erklären, seine Kinder zu gebären,
aber in seinem Herzen und in seinem Haushalt stets eine untergeordnete
Rolle zu spielen? Das Prestige seines Ranges würde diese jungen
Frauen – oder ihre Väter – vielleicht zunächst
locken, aber für nichts und niemanden würde er, Da'ud, je Sari, die
große Liebe seines Lebens, aufgeben. Wie langweilig und apathisch diese
jungen Frauen doch alle waren! Und wie sie ihn belasten würden! Nicht
einmal um eines Erben willen konnte er sich vorstellen, sich mit einem
dieser passiven, kuhäugigen Wesen im gleichen Haus aufzuhalten.
Wer aber dann? Noch eine unbekannte Fremde, noch eine Sari?
Das konnte er sich nicht erlauben. Er mußte jemanden finden, der
außerhalb seines vertrauten Lebenskreises stand, eine Fremde, und doch
keine völlig Unbekannte. Wieder schwebte vor ihm das Bild der
strahlenden und lebhaften Augen. Eine Fremde, doch nicht völlig
unbekannt … Hatte nicht Djamila bereits genug vom Leben
gesehen und mußte wissen, daß man einen Preis bezahlen muß, wenn man
sein Los verbessern will? Sie konnte sich sicher in ihren kühnsten
Träumen eine solch glänzende Möglichkeit nicht ausmalen. Jung, gefügig,
gerade eben aus ihrem fernen marokkanischen Dorf angekommen, doch nicht
ohne eine gewisse Bildung, würde sie alles annehmen, was er ihr bieten
konnte, als Gegenleistung für das ungeheure Prestige, das sie als
Mitglied seines Haushaltes gewinnen würde. Als Person war sie nicht
abstoßend. Im Gegenteil, ihr Elan hatte eine gewisse Grazie, ihre
Energie, hervorgebracht von einem Leben inmitten der Fülle –
und der Grausamkeit – der Natur, entbehrte nicht eines
gewissen Zaubers. Er würde sie sich heute abend einmal genauer ansehen.
Wenn aus seinen zerbrochenen und aus ihren noch unerfüllten Träumen ein
Sohn geboren würde, dann wäre er es zufrieden.
15
B ahya ibn Kashkil und Djamila fanden sich
pünktlich eine Stunde nach Sonnenuntergang im Haus von Da'ud ibn Yatom
ein. Ihre weiten, freien Bewegungen ließen auf ein in der freien Natur
verbrachtes Leben schließen. Die beiden wirkten in der nüchternen
Eleganz des Hauses unbeholfen, fehl am Platze. Anders als ihr Vater und
die anderen seltenen Besucher im inneren Heiligtum von Da'uds Zuhause,
zeigte Djamila keinerlei Anzeichen von Schüchternheit oder Ehrfurcht.
Im Gegenteil: sie schaute sich mit unverhohlener
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