Die Zypressen von Cordoba
Winterendes erblüht
waren und den Boden mit einem zarten roten Schimmer überzogen. Die drei
redeten nicht wie gewöhnlich über die Eheschließungen ihrer Kinder, von
denen sich einige bereits im heiratsfähigen Alter befanden, sondern
über eine Angelegenheit, die sich im Laufe des Winters ergeben hatte.
Ihre Eltern waren beide hochbetagt verstorben, Opfer der Kälte und der
Feuchtigkeit geworden, denen ihre ohnehin schon gebrechlichen Körper
nicht genügend Widerstand zu leisten vermochten. In seinem Testament
hatte der Vater der jüdischen Gemeinde eine beträchtliche Summe für
wohltätige Zwecke vererbt, hatte es aber versäumt, die Institution zu
benennen, für die dieses Geld verwendet werden sollte. Die Schwestern,
die darauf erpicht waren, den Ruhm ihrer Familie zu mehren und den
Namen ihres Vaters zu verewigen, sprachen gerade über mögliche
Nutznießer, als Djamila und Amira sich zu ihnen gesellten. Das Kind
eilte sogleich, einen Strauß seidiger Anemonen zu pflücken, streichelte
sich mit den weichen Blütenblättern übers Gesicht und ärgerte dann eine
Gottesanbeterin, die es erbarmungslos von einem Blatt zum anderen
verfolgte.
Djamila machte einen Vorschlag, der nur ihrem kühnen, freien
Geist entspringen konnte. »Warum richtet ihr mit dem Geld nicht eine
Talmud- und Thoraschule für Mädchen ein?«
Schallendes Gelächter ließ die Busen der drei Schwestern Bar
Simha erbeben.
»Sei doch einmal ernst«, ermahnte sie Sitbora. »Wir suchen
nach einem Vorschlag, den wir unseren Männern unterbreiten können. Sie
sind ohnehin nicht sonderlich versessen darauf, sich mit dieser
Angelegenheit zu befassen, denn in solchen Fällen wird normalerweise
der Vorsteher der Gemeinde beauftragt, die Gelder nach seinem Gutdünken
zu vergeben.«
»Aber ich meine es doch ernst«, protestierte Djamila. »Warum
sollte unseren Töchtern die Bildung vorenthalten werden, auf der wir
bei unseren Söhnen so rigoros bestehen?«
»Da ist etwas daran«, nickte Dona nachdenklich, während sie
sich die Sache noch einmal durch den Kopf gehen ließ.
»Ja, ich glaube, du hast recht«, pflichtete ihr Palomba
erwartungsgemäß bei.
Sitbora jedoch überstimmte sie beide. »Allein der Gedanke ist
unvorstellbar«, konstatierte sie mit Entschiedenheit. »Die Männer
würden so etwas niemals zulassen, und ohne sie können wir nichts
machen.«
»Unsinn!« schimpfte Djamila. »Ihr braucht nur ein Schulzimmer
und Bücher. Eine Lehrerin habt ihr schon.«
Drei Paar Rehaugen wandten sich voller Erstaunen auf sie. »Du?«
»Wer sonst?«
»Du, ein Mitglied des großen Hauses Ibn Yatom? Dein Mann würde
beim bloßen Gedanken heftig widersprechen! Nein«, erklärte Sitbora,
»ich bin nicht bereit, derlei umstürzlerische Gedanken zu unterstützen.
Meine Ruhe ist mir lieber. Außerdem, wozu brauchen unsere Töchter
Bildung, wenn sie doch ihr Leben ihrem Ehemann, ihren Kindern und ihrem
Haushalt widmen werden?«
Nach reiflichem Überlegen schloß sich Dona ihrer Meinung an,
und Palomba als folgsames Lamm ebenfalls.
»Was wir uns vorstellen könnten«, meinte Dona dann milde,
»wäre der Anbau eines neuen Flügels an das Waisenhaus für Mädchen.«
»Das ist eine wunderbare Idee!« strahlte Palomba über ihr
ganzes rundes Gesicht und zeigte ihre Grübchen.
»Aber nur, wenn der Plan voll und ganz von Da'ud ibn Yatom
unterstützt wird«, warnte Sitbora, »denn wenn ein Gebäude einmal
errichtet ist, braucht es auch Wartung und Pflege, und für die muß die
Gemeinde aufkommen. Ehrlich gesagt, ich kann mir nicht vorstellen, daß
unsere drei Ehemänner sich damit einverstanden erklären würden, die
herzlichen Beziehungen zu Djamilas Ehemann aufs Spiel zu setzen, indem
sie einen eigenen Vorschlag unterbreiten. Nur wenn wir uns seines
Wohlwollens sicher sind, haben wir überhaupt eine Chance, sie davon zu
überzeugen.«
Wieder einmal richteten sich drei Augenpaare auf Djamila,
diesmal erwartungsvoll. Denn obwohl die Schwestern wußten, daß sie in
Da'uds Haushalt nur die zweite Stelle einnahm, hatten sie keine
Vorstellung davon, wie sehr sich die beiden Ehepartner entfremdet
hatten.
Die ins Abseits geratene Ehefrau des Da'ud ibn Yatom spürte,
wie ihr die Knie weich wurden und die Übelkeit den Magen umdrehte.
Niemals würde sie zugeben, auch nicht ihren besten Freundinnen
gegenüber, in welch erniedrigende Position im Haushalt sie inzwischen
verbannt worden war. Keine Menschenseele außerhalb der engsten Familie
wußte, daß ihr Ehemann am
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