Die Zypressen von Cordoba
Sabbattisch nur einen flüchtigen Gruß für sie
hatte, kaum einen zerstreuten Kuß für seine Tochter Amira. Daß ihr Bett
kalt war. Daß nur Hai ihren Ehemann auf seinen Spaziergängen
begleitete, wenn er den Fortschritt beim Bau des Hospitals in
Augenschein nahm. Daß Amira, wenn sie die beiden fortgehen sah, zu ihm
lief und bettelte, auch mitgenommen zu werden, dann aber nur einen
kleinen Klaps auf das Hinterteil bekam und zu ihrem Kindermädchen oder
der Mutter zurückgeschickt wurde. Djamilas Stolz und gesellschaftliche
Stellung ließen es nicht zu, daß sie diese Dinge irgend jemandem
anvertraute. Niemals könnte sie zugeben, daß sie in den Augen ihres
Ehemanns nicht mehr existierte und daher keine Macht besaß, ihn in
irgendeiner Weise zu beeinflussen.
Und doch glimmte noch ein Funken Hoffnung in ihr, denn
vielleicht würde er sich geschmeichelt fühlen, über ein so ehrenwertes
Vorhaben die Schirmherrschaft zu übernehmen. Ein Vorhaben zur
Erinnerung an Isaac bar Simha, das stimmte zwar, aber unter der
erhabenen Schirmherrschaft von Da'ud ibn Yatom … Doch dieser
Funke erlosch, kaum daß er aufgeflackert war. Wenn sie ihm einen
solchen Vorschlag unterbreitete, er würde ihn zurückweisen, nur weil
sie ihn gemacht hatte. Wie sollte sie dann ihren Freundinnen je wieder
unter die Augen treten? Wie könnte sie eine so unerklärliche Weigerung
begründen, ohne ihnen zu offenbaren, daß ihre Stimme im Hause ihres
Ehemannes nichts mehr zählte? Sie mußte also einen anderen Weg finden,
ihm die Anfrage nahezubringen, vielleicht durch einen neutralen
Boten … Wenn sie sich nun an seinen Sekretär für
Angelegenheiten der Gemeinde wandte, diesen unauffälligen, äußerst
bescheidenen Menschen, der mit den grauen Wänden des Raumes zu
verschmelzen schien, in dem er schweigend die Befehle seines Herrn
ausführte …
»Ich werde mit Da'ud sprechen, sobald sich eine Gelegenheit
ergibt, aber jetzt muß ich gehen«, erwiderte sie hastig auf die
fragenden Blicke ihrer Freundinnen.
»So bald schon?«
Sie rief Amira zu sich und meinte leichthin: »Ich habe
versprochen, mit Amira ihren Großvater zu besuchen, sobald das Wetter
besser ist. Jetzt, da er nicht mehr in der Talmud- und Thoraschule
unterrichtet, ist sie seine einzige Schülerin. Ihr könnt Euch gar nicht
vorstellen, was für ein Vergnügen er daran hat, ihr das Lesen und
Schreiben beizubringen«, erzählte sie lachend im Weggehen.
Djamila war zu unruhig und verwirrt, um gleich in die
bedrückende Atmosphäre des Hauses Ibn Yatom zurückzukehren, und
wanderte ziellos durch die Gassen und Sträßchen ihrer Wahlheimat. Ihre
Nasenflügel bebten vom betäubenden Duft der frischen Gewürze, der vom
Markt her wehte, vom Geruch des Pferdedungs, der aus den Ställen des
Palastes drang, vom scharfen Gestank des Eselsurins, der in der Sonne
trocknete – eine Mischung von Gerüchen, die sie an ihre
sorglosen Kindertage erinnerte, an ein Leben, nach dem sie sich immer
mehr zurücksehnte. Würde die Ehre, die Tochter Da'uds zu sein, Amira in
späteren Jahren dafür entschädigen, daß ihr die Vaterliebe gefehlt
hatte? Das fragte sie sich zum tausendsten Male.
»Mami, warum konnten wir nicht am Fluß bleiben, statt durch
diese stinkenden Gassen zu spazieren?« beschwerte sich Amira. »Ich will
nach Hause. Ich bin müde.«
»Quengle nicht«, antwortete Djamila barsch.
»Aber mir ist schlecht«, jammerte das Kind. »Ich will wieder
zum Fluß und für Sari Blumen pflücken. Warum können wir da nicht
hingehen?«
»Weil ich es sage.«
»Du bist wie Vater«, murmelte das Kind und senkte den Kopf,
während seine Lippen bebten und ihm Tränen über die Wangen rollten.
Djamilas Herz krampfte sich vor Reue zusammen. Sie nahm ihre Tochter
auf den Arm und drückte sie an sich. Zum Teufel mit den Bar Simhas,
murmelte sie vor sich hin. Sie würde mit Menahem sprechen, gleich
morgen, am Donnerstag, und die Sache hinter sich bringen. Zur
Entschädigung kaufte sie Amira auf dem Markt die schillernden
Glasmurmeln, die sie sich schon so lange wünschte. Trotz all ihres
angeborenen Selbstbewußtseins war Djamila beklommen zumute, als sie am
nächsten Morgen den mittleren Flügel des Hauses betrat. Sie drang
selten in Da'uds Bereich vor, hatte sich in der einschüchternden
Strenge dieser Räume nie wohl gefühlt. Jetzt erhöhten die dunklen
Holzpaneele, die an den Wänden aufgehängten hebräischen Texte in
mattroter Kalligraphie, die dicken weinroten Teppiche, die ihre
Schritte
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