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Die Zypressen von Cordoba

Die Zypressen von Cordoba

Titel: Die Zypressen von Cordoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yael Guiladi
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verstoßenen Mutter nur noch mehr an.
    Wie schon in den langen Monaten der Schwangerschaft besuchte
Djamila weiterhin die feinen Damen der Gemeinde, insbesondere die
Schwestern Bar Simha. So weilte sie immer länger und häufiger außer
Haus, und mit der Zeit schloß sich Amira immer mehr an Sari an. Wäre
Sari nicht gewesen, hätte dieses Kind vielleicht niemals das Licht der
Welt erblickt. Letztlich war Sari dafür verantwortlich, daß Amira
lebte, nicht dieses kleine Mädchen selbst. Amira sollte nicht unter den
Folgen von Saris eigener schrecklicher Kindheit leiden müssen und auch
nicht unter dem Leben, das ihre Mutter nun gewählt hatte. Seit Hais
Geburt hatte Djamila keine Funktion, keinen Platz mehr in Da'uds Haus.
Wer konnte es ihr verdenken, wenn sie außerhalb des Hauses unschuldigen
Zerstreuungen nachging? Amira sollte nicht den Preis dafür zahlen. Sie
war unschuldig, sie sollte nicht die Mutterliebe entbehren müssen, auf
die sie ein Recht hatte, ein Recht, das man Sari so grausam
vorenthalten hatte. Wenn Djamila zu unglücklich war, um dem Kind Liebe
zu schenken, dann würde eben sie, Sari, für sie einspringen, so gut sie
konnte. Da'ud hatte nichts dagegen, daß Sari seiner Tochter solche
Zuneigung zeigte, doch er selbst blieb ihr fern, stets kühl und
unnahbar. Er liebte nur seinen Sohn, seinen Hai.
    Was hätte er ohne diesen ruhigen Hafen der Liebe, des
Vertrauens und des Verständnisses gemacht, in dem er sich von der Plage
seiner Tage erholen konnte? Das fragte er sich unweigerlich jeden
Abend, wenn er nach Hause zurückkehrte. Die christlichen Fürsten,
untereinander zerstritten, hatten den Tribut an ihren arabischen
Oberherrn stets nur zögerlich gezahlt, doch ohne diese Gelder konnten
die Arbeiten an dem Hospital nicht weitergehen. Genausowenig konnten
ohne das Geld die Manuskripte, auf die der Kalif so erpicht war,
gekauft oder abgeschrieben werden. Da'ud sah sich also gezwungen,
ständig mit den Finanzen zu jonglieren, manchmal sogar Anleihen aus
seinem Privatvermögen beizusteuern, um nicht das Vertrauen derer zu
verlieren, deren Dienste für ihn lebenswichtig waren. Über diese
Probleme sprach er mit niemandem außer seinem Lehrmeister Ibn Zuhr.
Allerdings war er sich auch völlig darüber im klaren, daß sein
Schweigen weder Geheimhaltung garantieren noch als Schutz gegen die
üble Nachrede des Abu Bakr dienen konnte.
    Niemand vermochte besser als der schlaue Finanzberater die
Kosten der Unternehmungen zu berechnen, mit der al-Hakam Da'ud betraut
hatte, niemand konnte die Einkünfte und die Ausgaben, für die er
verantwortlich war, besser einschätzen. Sicherlich, würde Abu Bakr
vielleicht flüstern, hätte der Jude nicht aus privaten Mitteln Gelder
vorgestreckt, wenn er nicht vorher Tributzahlungen zu seinen eigenen
dubiosen Zwecken veruntreut und anrüchigen Kunden zu Wucherzinsen
geliehen hätte, von denen er nun die Schulden nicht wieder einzutreiben
vermochte? Und was war mit den jüdischen Manuskripten? So quälte sich
Da'ud, wenn ihn eine seiner dunklen und zweifelnden Stimmungen
heimsuchte. Warum hatte er sich vom Vorschlag seines anmaßenden
Sekretärs in Versuchung führen lassen, warum hatte er entgegen allen
praktischen Erwägungen dem Wunsch nach Unsterblichkeit nachgegeben?
Wenn Abu Bakr von der Sammlung erfuhr, die die jüdische Gemeinde
zusammentrug, wie schnell würde er dann das Gerücht in Umlauf setzen,
Da'ud mißbrauche al-Hakams Sendboten, sende sie auf Kosten des Kalifen
zum Nutzen seiner eigenen Gemeinde aus? Solche Lügen, geduldig von
mächtigen Männern in die Ohren nur allzu williger Zuhörer geträufelt,
erhielten leicht das Gepräge der Echtheit … Obwohl er seine
Bücher gewissenhaft führte, die ihm anvertrauten öffentlichen Gelder
untadelig verwaltete und keinen einzigen Piaster Zinsen für die
zeitweilig vorgestreckten Summen nahm, lebte Da'ud ständig in einem
Zustand der Anspannung, der ihm allmählich den Seelenfrieden raubte.
    Immer mehr mußte er sich eingestehen, daß die Umstände und
sein eigener Ehrgeiz ihn von seinem jugendlichen Wissensdurst fort und
in eine Welt geführt hatten, die nicht mehr die seine war. Sogar seine
morgendlichen Unterredungen mit dem Kalifen erfüllten ihn keineswegs
mit Stolz und Befriedigung, sondern dienten lediglich dazu, den
Unterschied zwischen ihm und den erhabenen Kreisen zu betonen, in denen
er sich nun bewegte. Der Kalif, ein Moslem, konnte vor ihm, einem
Juden, ungehindert über den Grenzbereich zwischen

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