Die Zypressen von Cordoba
Eltern jubelten nicht. Obwohl die
seltsame Schönheit ihrer sonnigen Stadt unter der Schneedecke auch sie
nicht gleichgültig ließ, schmerzte es sie doch, mit anzusehen, wie die
Zypressen unter dem doppelten Angriff von Wind und Schnee hin- und
herschwankten, wie die Dachziegel in rötlichen Scherben zerbarsten, wie
sich Risse in dem für warme Sommer gebauten Mauerwerk zeigten. Saris
größter Kummer war der Tod der Pflanzen, die sie seit den Tagen vor
ihrer Heirat sorgfältig gepflegt hatte. Mit den Jahren waren sie so
groß geworden, daß man sie im Garten in eine Ecke gepflanzt hatte, doch
obwohl sie dort zu gedeihen schienen, überlebten sie den strengen
Winter nicht.
Hais Zypresse war inzwischen vier Jahre alt, sie hatte nur
wenig gelitten, da sie von den ausgewachsenen Bäumen ringsum
abgeschirmt wurde. Nur ein, zwei Äste ragten hier und da wie gebrochene
Gliedmaßen hervor, störten die elegante, schmale Silhouette. Sari
deutete den Tod der Pflanzen des Einsiedlers als Symbol für das Ende
ihrer einsamen, unfruchtbaren Jahre, das Überleben des
Zypressenschößlings jedoch versprach große Dinge für Hais Zukunft. Wenn
die gelehrten Männer von Córdoba an den Einfluß der Sterne auf das
Leben der Menschen glaubten, warum sollte sie dann nicht überzeugt
sein, daß ein anderes Geschöpf Gottes ihr etwas über die Zukunft
verraten konnte? So erklärte sie es jedenfalls lächelnd Da'ud, um ihn
von seinen Alltagssorgen abzulenken. Obwohl er solche Gedanken bei
seinen Kollegen ungeduldig abtat, lächelte er nachsichtig über Saris
Vorstellungen. Ihr Frohsinn hielt ihn stets ein wenig von seinen
Grübeleien ab.
Bei den ersten warmen Strahlen des Frühlings bepflanzte Sari
ihre Ecke des Gartens neu. Eines Morgens war sie gerade dort
beschäftigt, als Djamila und Amira in frischen, farbenfrohen Gewändern
mit strahlend bunten Seidenschärpen um die Taille auftauchten.
»Wir machen einen Spaziergang am Fluß«, rief Djamila ihr zu,
während sie die Hand ihrer Tochter ergriff und mit ihr an dem kleinen
Wasserlauf entlang zu einem Tor in der Mauer am äußersten Ende des
Gartens eilte. Sari winkte ihnen zum Abschied nach, folgte ihnen mit
traurigem Blick. Es tat ihr in der Seele weh, daß Da'ud die beiden so
offenkundig verachtete. Doch er gestattete ihr nicht, das Thema auch
nur anzusprechen. Vielleicht würde sich doch noch eine passende
Gelegenheit ergeben, seufzte sie, während sie sich wieder ihren
Pflanzen zuwandte und ein Blatt liebkoste, das noch ganz hell und zart
war, gerade eben im Frühling neu geboren. Wie gut, daß sie und Djamila
so verschieden waren, daß sie so mühelos in Harmonie unter einem Dach
leben konnten. Sie fühlte sich zwar noch manchmal ein wenig schuldig
wegen der Lage, die sich im Hause ergeben hatte, aber letztlich war
Da'ud allein dafür verantwortlich, wie sich die Situation
weiterentwickelt hatte. Wenn man ihn schon nicht bewegen konnte, sich
seiner zweiten Frau und seiner Tochter gegenüber anders zu verhalten,
dann würde wenigstens sie dafür sorgen, daß Hai und Amira als Freunde
aufwuchsen.
Amira, die endlich von den Beschränkungen der Wintermonate
befreit war, rannte und hüpfte neben ihrer Mutter her, nahm eine frisch
gebackene goldgelbe Pastete vom Teller eines Straßenverkäufers und
stopfte sie sich in den Mund, kitzelte die zuckenden Ohren eines
festgebundenen Esels und bettelte um einen mit Zucker überzogenen
Apfel, ehe die beiden das Getümmel des Marktes hinter sich ließen und
zum Fluß hinuntergingen. Djamila wußte, daß sie dort die drei
Schwestern Bar Simha antreffen würde, die im Laufe der Jahre ihre
ständigen Gefährtinnen geworden waren. Die Zeit und ihre
unterschiedlichen Erfahrungen als Ehefrauen und Mütter hatten die
starke Ähnlichkeit ihrer jüngeren Jahre etwas zurücktreten lassen.
Sitbora, die Älteste, war eine herrische, beinahe dominante Matrone
geworden. Dona war zu einer nachdenklichen Seele herangereift, während
Palomba, die Jüngste, die ihren drallen Busen vorstreckte wie die
Taube, der sie ihren Namen verdankte, ein passives, leicht zu
beeinflussendes Kind geblieben war, das sich mit allen und jedem
einverstanden erklärte.
Der übliche Treffpunkt, eine Wiese unter dem großzügigen
Schatten einer Akazie, war vom angestiegenen Wasser des Flusses
überschwemmt, das seit der Schneeschmelze wild toste. Djamila fand ihre
Freundinnen ein wenig abseits. Sie spazierten durch eine Wiese mit
wilden Anemonen, die beim ersten Anzeichen des
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