Dieb meines Herzens
Vergangenheit schon einige Male bei Kunden erlebt. Im Allgemeinen hörte sie auf so unerklärliche Ahnungen und ließ das Geschäft sausen. Heutzutage musste man vorsichtig sein, nicht zuletzt wegen der Gerüchte um den Mörder, den man Mitternachtsmonster nannte.
In diesem Fall aber schien es für den kleinen Angstschauer keinen logischen Grund zu geben. Der elegante Herr sah aus wie ein Engel, ein reiner Engel. Genauer gesagt, sah er aus wie einer, der für besonderen Service gern extra etwas springen lassen würde.
»Letzte Woche sah ich Sie schon einige Male hier herumstehen«, sagte sie leichthin. »Wie schön, dass Sie mich heute ansprechen.«
Zu ihrer Verwunderung verärgerte ihn dies.
»Du hast mich erst heute gesehen«, gab er im rauem Ton und hörbar verärgert zurück. »Deine Fantasie spielt dir einen Streich.«
Einen vornehmen Klienten wegen eines unsinnigen Streites zu verlieren, war das Allerletzte, was sie wollte.
»Sie haben sicher recht, Sir.« Sie lächelte ihn unter ihrer Hutkrempe hervor kokett an. »Schließlich sind Sie ein Gentleman, von dem ein Mädchen an einem Abend wie diesem träumt. So hübsch und elegant.«
Er lächelte und entspannte sich. »Ich freue mich, mit dir dein Zimmer aufzusuchen, Annie.«
Wieder berührte ein Eisfinger ihr Rückgrat. Sie ignorierte ihn unter Aufbietung großer Willenskraft.
»Es liegt über der Kneipe«, sagte sie.
Er nickte und warf einen Blick zu der Gasse, in der er vorhin gewartet hatte. »Sicher gibt es einen Hintereingang.«
»Man muss nicht durch die Küche«, beruhigte sie ihn. »Ich habe eine Vereinbarung mit dem Besitzer. Jed stört es nicht, wenn ich meine Besucher durch den Haupteingang ins Haus bringe.«
Für ein gelegentliches Gratisschäferstündchen und einen kleinen Anteil an ihrem Profit überließ Jed ihr einen Raum über dem Lokal. In der Regel trat sie mit ihren Kunden
durch den Haupteingang ein, wenn aber die Männer Hemmungen hatten, benutzte sie den Kücheneingang. So oder so, Jed konnte die Männer, die sie mit hinaufnahm, begutachten. Machte einer Ärger oder wurde gewalttätig, gab sie dem Wirt ein Zeichen, indem sie einige Male gegen die Wand trat. Er eilte ihr dann zu Hilfe.
»Wenn wir nicht ungesehen in dein Zimmer gelangen, muss ich deine freundliche Einladung ablehnen«, sagte der elegante Herr bedauernd. »Da ich eine reiche junge Dame zu heiraten beabsichtige, möchte ich vermeiden, dass ihr Papa meinen Antrag zurückweist, falls ruchbar wird, dass ich mit einem Mädchen deines Gewerbes gesehen wurde.«
Das erklärt seine Scheu, dachte sie. Werbung und Heirat waren für einen Gentleman seines Standes eine ernste Sache. Zweifellos stand viel Geld auf dem Spiel. Er würde eine reiche Erbin als Braut nicht wegen eines flüchtigen Abenteuers mit einer Dirne verlieren wollen. Ein Mann in seiner heiklen Position musste zumindest bis zur Eheschließung vorsichtig sein.
»Ich verstehe, Sir«, sagte sie. »Also gut, dann gehen wir die Gasse entlang und um die Ecke zum Kücheneingang. Niemand wird Sie mit mir sehen.«
»Danke, Annie.« Er lächelte sein engelhaftes Lächeln. »Schon als ich dich sah, wusste ich, dass du genau das Mädchen bist, das ich für mich suchte.«
19
Die Atmosphäre im Gewächshaus hatte sich wieder abgekühlt. Seine vordere Seite war angenehm warm und behaglich, weil er ausgestreckt auf Leona lag, doch Thaddeus verspürte auf seiner Kehrseite eindeutig ein Kältegefühl.
Widerstrebend machte er sich los und richtete sich auf. Ein schmaler Mondstrahl huschte über Leonas Gesicht, als sie sich auf der Leinwand aufsetzte. Etwas Neues lag in ihrer Miene. Etwas, das ihn unsicher machte. Er streckte die Hände aus, um ihr beim Aufstehen zu helfen.
»Alles in Ordnung?«, fragte er und ließ seine Handflächen über die seidenglatte Haut ihrer nackten Schultern und weichen Oberarme gleiten. Seine Befriedigung war tief und vollkommen. Tatsächlich war das Erlebnis anders als jede Begegnung, die er vorher gehabt hatte. Wie kam es, dass sich sein Begehren schon wieder regte?
»Ja, natürlich, alles ist in Ordnung.« Sie griff rasch nach ihrem Haar, drehte sich dann abrupt um und fasste nach ihrem Hemd. »Warum auch nicht?«
Er beobachtete sie kurz, im Unklaren über ihre seltsame Stimmung. »Vielleicht weil du noch keinen Gelieben hattest?«
Sie bekam ihr Hemd zu fassen und zog ihren Unterrock über die Hüften. »Unsinn, ich hatte einen. Ich sagte ja, dass ich eine Zeitlang verlobt war.«
Er
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