Dieb meines Herzens
ihr ein langsam aufblühendes, intimes Lächeln. »Vorausgesetzt ich kann schlafen.«
Sie spürte, wie ihr wieder über und über heiß wurde, und war froh, dass das Licht schwach war. Sie ermahnte sich, dass sie sich als weltläufige Frau nicht von den Schmeichelworten eines Mannes aus der Fassung bringen lassen durfte.
»Meiner Erfahrung nach kann man einen Traum nicht bestellen wie Eier auf Butter zum Frühstück«, sagte sie. »Und merkwürdigerweise sind Träume selten angenehmer Natur. Tatsächlich ist es erstaunlich, wie viele Träume nicht nur bizarr sind, sondern auch Angst und Unbehagen enthalten. Ich fragte mich oft …«
Er brachte sie mit einem raschen, heftigen Kuss zum Schweigen. Als er den Kopf hob, wusste sie, dass er, wenn auch insgeheim, über sie lachte. Er strich mit dem Daumen ihre Kinnlinie entlang. Kleine Schauer durchliefen sie.
»Träume von mir«, befahl er mit seiner beschwörenden Zaubererstimme.
Diese Worte zerstreuten ihre Sinne in alle vier Winde. Es fehlte nicht viel, und sie hätte sich auf ihn gestürzt und ihn auf den Boden gezerrt.
Offensichtlich befriedigt trat er zurück.
»Gute Nacht«, wiederholte er.
Sie drehte sich blitzschnell um und floh dicht gefolgt von
Fog die Treppe hinauf. Auf dem Absatz blieb sie stehen und blickte sich um. Thaddeus stand noch immer im Dunkeln am Fuß der Treppe, eine Hand auf dem geschnitzten Geländerknauf. Er lächelte – ein vertrauliches, wissendes Lächeln, das ihr den Atem raubte. Dann drehte er sich um und ging zur Bibliothek.
Auf Zehenspitzen lief sie zu ihrem Zimmer am Ende des Korridors, Fog ihr hinterher. Ein Lichtstreifen unter Victorias Tür ließ sie nervös zusammenzucken. Halb erwartete sie, Victoria würde die Tür aufreißen und ihr eine Gardinenpredigt über die laxe Moral von Kristallmedien halten.
Doch Victorias Tür blieb fest geschlossen.
Die Stille des Hauses lastete schwer auf Leona. Hier stimmte etwas nicht. Ein bedrohliches Gefühl erfasste sie. Wie spät war es denn?
Sie blieb unter einer Wandleuchte stehen und warf einen Blick auf die Uhr, die an einer Kette von ihrer Taille hing. Zwei Uhr morgens.
Sie erstickte einen kleinen Schreckensschrei. Kein Wunder, dass alle schliefen. Sie und Thaddeus hatten sich Stunden im Gewächshaus aufgehalten. Wie hatten sie nur jegliches Zeitgefühl verlieren können? Victoria und der gesamte Dienstbotenstab konnten sich denken, dass sie nicht die halbe Nacht damit zugebracht hatten, seltene Pflanzen zu bewundern.
Ein anderer Gedanke folgte und löschte jedes Gefühl der Erleichterung aus. Guter Gott, sie müsste beim Frühstück dem Personal und Victoria unter die Augen treten, und alle wüssten, was sich draußen im Gewächshaus abgespielt hatte.
Nach einem tiefen Atemzug nahm sie Haltung an. Dies gehörte zu den Dingen, die es zu bewältigen galt, wenn man
eine Frau von Welt sein wollte. Was war schon dabei, wenn sie heute ihre Jungfräulichkeit verloren hatte? Es war an der Zeit. Sie war schließlich fast dreißig. Zudem war sie ganz sicher, dass es nur ganz wenigen Frauen auf so köstliche Weise widerfuhr. Diese Nacht würde ihr für den Rest ihres Lebens in Erinnerung bleiben; eine leidenschaftliche Nacht in einem tropischen Garten.
Sie erreichte ihr Zimmer und brachte sich in Sicherheit, indem sie rasch eintrat. Nachdem sie die Lampe höher gedreht hatte, setzte sie sich auf die Bettkante, um sich zu fassen. Fog drehte gähnend ein paar Runden auf dem Teppich und ließ sich nieder.
Plötzlich wurde ihr ein leichtes Gefühl des Wundseins bewusst, als wären gewisse Teile ihrer Anatomie überbeansprucht. Sie stand auf, zog sich aus und wusch sich am Waschtisch.
Sie schlüpfte in ihr Nachthemd und da der Raum ziemlich kalt war auch in Schlafrock und Slipper.
Nach einer Weile merkte sie, dass sie nicht schlafen konnte, wenigstens jetzt nicht. Sie ging zu der Reisetruhe, die sie aus der Vine Street mitgenommen hatte, hob den Deckel und griff nach dem Tagebuch ihrer Mutter.
Sie musste sich von dem ablenken, was zwischen ihr und Thaddeus passiert war. Es wurde Zeit, dass sie die Suche nach dem Aurora-Stein in Angriff nahm.
20
Kurz vor dem Frühstück am folgenden Morgen spürte Thaddeus die Anwesenheit einer Person im Eingang zur Bibliothek und blickte von seinen Eintragungen auf. In der offenen Tür stand Victoria mit gefährlich resoluter Miene.
Bis zu diesem Moment war er bemerkenswert guter Dinge gewesen, wenn man bedachte, dass er einen verschwundenen
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