Dieb meines Herzens
in Situationen, in denen er verzweifelt bemüht war, seinem Vater zu gefallen. Er schaffte es nie.«
»Ich wage eine Vermutung, warum es mit dir und dem jungen Trover kein gutes Ende nahm.«
»Ja, das kann ich mir denken.« Sie war mit ihrem Haar fertig und schüttelte ihre Röcke aus. »Als Williams Vater entdeckte, dass sein Sohn und Erbe sich mit einer Betrügerin, die übersinnlichen Humbug praktiziert, eingelassen hatte, befahl er William, die Verbindung sofort zu beenden und verbot ihm den Umgang mit mir.«
»Natürlich gehorchte der junge William seinem Vater?«
»Was hätte er sonst tun sollen? Mr Trover drohte ihm mit dem Entzug sämtlicher Mittel.« Sie seufzte. »Unter normalen Umständen wäre das kein Weltuntergang gewesen. Es
war ja nicht allgemein bekannt, dass William und ich eine Beziehung hatten. Die Lösung der Verlobung hätte daher keinen Skandal verursacht.«
Der Ruf einer ehrbaren Frau konnte durch eine aufgelöste Verlobung ruiniert werden. Es war eine sehr demütigende Situation, nicht zuletzt, weil unweigerlich über die Gründe, die einen Gentleman veranlassten, die Lady sitzen zu lassen, geklatscht und spekuliert wurde. Hatte er entdecken müssen, dass sie moralisch nicht seinen Ansprüchen entsprach? Oder – Schrecken aller Schrecken – hatte sie ihre finanziellen Verhältnisse falsch dargestellt?
»Was ging schief?«, fragte er leise.
»Ich hätte wohl wissen müssen, dass die Dinge nicht so glattgehen würden, aber ich war eben verliebt. Und William liebte mich.«
»Du hast dich von deinem natürlichen Optimismus und deiner starken Natur leiten lassen.«
»Es muss so gewesen sein«, gab sie zu. »Jedenfalls kam William zu einem letzten Besuch zu mir, um Abschied zu nehmen. Aber Williams Vater war offenbar in Sorge, sein Sohn könnte schwach werden und ihm trotzen. Er unternahm daher Schritte, um dies zu verhindern.«
»Er vernichtete dich und deine Existenz.«
»Trover verbreitete, dass ich wenig mehr als eine gewöhnliche Dirne sei, die Sex mit ihren männlichen Klienten hätte.« Sie rümpfte die Nase. »Ich kann sagen, dass im Gefolge dieses Gerüchtes das Geschäft sehr flott lief. Es gab einen großen Zustrom neuer Klienten.«
»Sämtliche männlich, wette ich.«
»Ja. Aber sehr bald kamen die Gerüchte den Frauen dieser Herren zu Ohren, worauf mein Geschäft dramatisch einbrach. Das Leben in einer Kleinstadt brachte es mit sich, dass
ich mich nicht mehr auf die Straße wagen konnte, ohne den empörendsten Pöbeleien ausgesetzt zu sein. Mir blieb nichts übrig, als meine Sachen zu packen und nach London zu ziehen.«
Er sah sie lange an, in Gedanken bei den starken Strömen leidenschaftlicher Energie, die die Atmosphäre im Gewächshaus aufgeladen hatten. Auch jetzt noch klang in seinen Sinnen das Echo des belebenden Sturms nach.
Er wusste, was das alles bedeutete, selbst wenn sie es nicht wusste. Seine Eltern waren durch ein solches Band verbunden. Man munkelte, dass es um den Großmeister der Society und seine junge Braut ähnlich stand. Seine Intuition aber warnte ihn, dass Leona noch nicht bereit war, die Realität dessen, was eben geschehen war, anzunehmen. Sie begriff es noch nicht ganz. Sie brauchte Zeit, sich an ihre neue Beziehung anzupassen; Zeit, um sich darüber klar zu werden, dass sie nun unwiderruflich aneinander gebunden waren.
»Beide Trovers, der alte wie der junge, verdienen Prügel«, sagte er. »Doch muss ich gestehen, dass ich sehr froh bin, dass dein Weg dich nach London führte.«
Er zog sie wieder in seine Arme. Die duftende Nacht umschloss sie. Er hakte ihr Kleid ein zweites Mal in jener Nacht auf.
Einige Zeit später machten sie sich auf den Rückweg zum Haus. Fog, der sie zusammengerollt vor der Küchentür erwartete, erhob sich und trottete mit ihnen in den rückwärtigen Flur.
Leona bangte vor einer neuerlichen Begegnung mit Victoria, da sie, völlig zerzaust wie sie war, vor Verlegenheit von Kopf bis Fuß erröten würde. Gottlob sah es aus, als wäre die alte Dame oben in ihren Räumen geblieben.
Die Lichter waren ganz heruntergedreht, das Haus wirkte unnatürlich still. Es kam ihr seltsam vor, dass das Personal sich vor dem Hausherrn und seinem Gast zurückgezogen hatte, war aber zu abgelenkt, um dieser kleinen Einzelheit viel Aufmerksamkeit zu schenken.
Am Fuß der Treppe gab Thaddeus ihr mit träger Befriedigung einen Gutenachtkuss.
»Träum von mir«, sagte er leise. »Weil ich von dir träumen werde.« Er schenkte
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