Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dieb meines Herzens

Dieb meines Herzens

Titel: Dieb meines Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Quick
Vom Netzwerk:
komme, was da wolle, nie wieder aus den Banden, die sie an ihn fesselten, befreien könnte.

18
    Der stattliche, elegante Gentleman stand heute wieder in der Gasse und beobachtete sie aus der nebelumwallten Dunkelheit. Er glaubte, sie hätte ihn nicht bemerkt. Annie lächelte. Das Gegenteil war der Fall. Wenn man sich sein Geld auf der Straße verdiente, entgingen einem auch nicht die kleinsten Einzelheiten. Zumindest wenn man helle war. Mädchen, die diese Lektion nicht gleich am Anfang ihrer Laufbahn lernten, war kein langes Leben beschieden.
    Sie brüstete sich damit, eine Überlebende zu sein. Nicht nur das, anders als die anderen Mädchen, die ihre Zukunft an die Ginflasche oder die Opiumpfeife verloren hatten, hatte sie Pläne. Keine unrealistischen Träume, an die sich so viele ihres Berufes klammerten: törichte Fantasien, die sich meist um einen vornehmen Gentleman rankten, der sie als seine Geliebte mit Juwelen und schönen Kleidern überschütten und ihnen ein eigenes Haus einrichten würde.
    Sie wusste es besser. Ein reicher Gentleman mochte sich gelegentlich mit einer Straßendirne amüsieren, würde sie aber nie zu seiner Geliebten machen. Geliebte waren kostspielig. Gab ein Mann Geld für eine Frau aus, erwartete er von ihr, dass sie so elegant war wie seine Kutsche oder sein Klub – eine Schauspielerin vielleicht oder eine vornehme, gebildete,
ehrbare Dame der Mittelklasse oder gar der Oberschicht, die sich verkaufen musste, weil ihr Gatte bankrott oder verstorben war. Die dummen Dinger, die hofften, ein Gentleman würde sie tatsächlich heiraten, waren töricht und närrisch zugleich.
    Nein, ihre Träume waren viel praktischerer Natur. Sie besaß das Geschick, zauberhafte Hüte zu kreieren, und konnte in kürzester Zeit eine Kopfbedeckung aus Stoffresten und ein paar billigen Kunstblumen schaffen, die den Vergleich mit den edelsten Kreationen in den Schaufenstern der teuersten Hutmacherinnen nicht zu scheuen brauchte.
    In Gedanken griff sie an die breite Krempe ihres neuen grünen Filzhutes, der erst gestern fertig geworden war. Die Straußenfeder, die in dem grünen Hutband steckte, war echt. Sie hatte sie vor ein paar Tagen auf der Straße vor einem Theater gefunden. Aus dem festlichen Hut einer Lady gefallen, schmückte sie nun als idealer Aufputz den grünen Filz.
    Eines Tages wäre sie endgültig von der Straße verschwunden. Sie sparte jeden Penny, um sich einen kleinen Laden mieten und ein Geschäft aufmachen zu können. Keine ihrer eleganten Kundinnen würde jemals erfahren, dass sie einst als Prostituierte auf der Straße gestanden hatte.
    Sie blieb unter einer Straßenlaterne stehen und warf einen beiläufigen Blick zur Einmündung der Gasse. Die Silhouette des eleganten Unbekannten war nur ein Schatten, doch sie konnte sehen, dass er noch immer da war. Offenbar gehörte er zu jenen schüchternen Typen, die erst ihren ganzen Mut aufbieten mussten, ehe sie sich einem Mädchen näherten.
    Sie ging langsam auf ihn zu und beobachtete ihn unter der schrägen Krempe ihres grünen Filzhutes hervor. Sie wollte ihn nicht verschrecken. In dieser Gegend traf man nicht viele
hochklassige Klienten wie ihn an und schon gar nicht in einer Nebelnacht.
    »Guten Abend, Sir«, sagte sie. »Hätten Sie heute noch Lust auf ein wenig Zerstreuung?«
    Der Schatten glitt aus der Gasse hervor und kam auf sie zu. Als er näher kam, sah sie, dass er sich für einen Mann sehr anmutig bewegte. Seine langen, raumgreifenden Schritte ließen an eine Katze denken.
    »Hier draußen ist es kalt und feucht«, sagte sie in ihrem einladendsten Ton. »Kommen Sie doch mit hinauf auf mein Zimmer. Dort werde ich dafür sorgen, dass Ihnen bald warm wird.«
    Endlich trat der Mann in den Kreis des hellen Lichtes der Straßenlampe. Nun sah sie, dass sie ihn richtig eingeschätzt hatte. Seine Kleidung war teuer. Ebenso der Spazierstock, den er bei sich hatte. Dazu kam, dass er einer der hübschesten Männer war, die ihr je begegnet waren. Das adrett gestutzte Haar, das unter seinem Hut hervorsah, war von hellstem Gold.
    »Ich wäre entzückt, dein Angebot anzunehmen, Annie«, sagte er mit einem kleinen Lächeln.
    Sie stutzte. »Woher kennen Sie meinen Namen?«
    »Ich beobachte Sie schon eine ganze Weile und hörte, wie jemand Sie Annie nannte.«
    Nun stand er ganz nahe, nur wenige Schritte entfernt. Aus irgendeinem Grund durchschoss sie ein Angstschauer, und sie bekam Gänsehaut. Sie zögerte. Dieses Gefühl hatte sie in der

Weitere Kostenlose Bücher