Diebe
erzähle.«
Wütend unterbricht sie die Verbindung. Keine Hilfe. Nichts. Die Frau des Captain wird am Swimmingpool sitzen, in ihrem eleganten Kleid, und nicht mehr an Demi denken, weil sie nicht Bescheid weiß. Baz stößt das Handy in ihre Gesäßtasche, schnappt sich eine volle Flasche Wasser und legt im Laufschritt los. Sie entfernt sich in gerader Linie vom Fluss, die Sonne brennt ihr, wenn sie sich nicht im Schatten bewegt, voll auf den Hinterkopf.
Wenn sie’s nur bis zum Markt schafft, dann hat sie das Barrio hinter sich und ist praktisch in der Stadt.
Sie duckt und schlängelt sich an Menschen vorbei, die die Arme schwenken, rufen, in Eile sind, ihr Hab und Gut zusammenpacken, doch es ist niemand unter ihnen, den sie kennt, und es nimmt auch niemand Notiz von ihr, sie ist nur eins von vielen durch die Gegend laufenden Kindern. Sie befindet sich jetzt westlich von dem ihr vertrauten Gebiet, fast schon am Rand des Barrio. Sie durchquert verödetes Gelände und ausgetrocknete Gräben, Dornen und hartes Gras stechen ihr durch die Jeans. Sie läuft, ohne anzuhalten.
Eine halbe Stunde später ist sie hinter dem Markt in Basquat. Ihr pocht der Kopf, die Lunge brennt. Sie sinkt in den Schatten, lehnt sich gegen eine Mauer. Sie öffnet ihre Flasche, trinkt drei Schlucke, gießt sich ein bisschen Wasser in die Hand und reibt sich damit übers Gesicht. Schraubt dann den Verschluss wieder zu.
Zwei Minuten. Dann wird sie sich wieder in Bewegung setzen, um den Markt herum zur Hauptstraße, wo es Straßenbahnen gibt, die sie in die Stadt bringen. Auf dem Markt herrscht viel Betrieb – eine ganz andere Welt als das Barrio.
Das Handy in der Hosentasche vibriert. Etwas hektisch fischt sie es heraus, zögert kurz, drückt dann doch auf die grüne Taste und hält das Gerät an ihr Ohr.
»Hallo?« Die Stimme ist unsicher, aber vertraut. »Bist du es? Das Mädchen?«
Baz bleibt stumm, wartet ab.
»Mein Sohn, Eduardo, hat mich aus dem Zimmer geschoben. Alles in Ordnung bei dir? Wolltest du mich sprechen?«
»Ja.«
»Du bist es also. Warum hast du angerufen? Geht’s dir gut?«
Baz hält das Handy fest umklammert. »Mein Bruder wird heut ins Schloss gebracht.«
»Bist du sicher?«
»Ich weiß nicht. Ich glaub ... wenn er dableibt, werden sie kommen und ihn holn.«
»Wer?«
»Männer, die ihn töten wolln.«
Schweigen. Und dann: »Wo bist du?«
Baz steht auf. »Ich komm jetzt zum Krankenhaus, aber hier war’s echt heftig. Ich weiß nicht, ob ich’s rechtzeitig schaffe ... Es gab viele Schwierigkeiten.«
»Vielleicht wäre dein Bruder im Schloss sicherer.«
»Sicherer?! Wissen Sie nicht, was da los ist? Da kommt keiner wieder raus. Da gibt’s nur Leid, nur Tod.«
Es herrscht viel Lärm auf dem Markt und Baz muss ziemlich laut sprechen. Eine vorbeieilende Frau wirft ihr einen scharfen Blick zu. Baz achtet nicht darauf. Am anderen Ende der Leitung ist nichts zu hören. »Hallo, hörn Sie mich?«
»Ja.«
Sie holt Luft. »Keiner tut ihm was, wenn Sie da sind. Können Sie zum Krankenhaus gehn? Können Sie verhindern, dass ihm was passiert?«
Erneut Schweigen am anderen Ende. »Ich kann nichts versprechen«, sagt sie dann. Sie klingt unglücklich. »Mein Mann ...«
»Ihr Mann ist Captain.« Und, denkt Baz, dein Junge – dein Junge ist ’ne Schlange. Aber das sagt sie nicht laut.
»Ja, aber er weiß, was ich gestern getan habe. Dass ich nach diesem Jungen gesucht habe, deinem Bruder. Er war sehr wütend.«
Baz erinnert sich an die leuchtende Verfärbung, die rund um ihr Auge zu sehen war. Er ist ein großer, kräftiger Mann, dieser Captain, breite Schultern und ein dunkles, schweres Gesicht – wie ein aufziehender Sturm. Jetzt hat er seine Wut ins Barrio getragen. Schlecht fürs Barrio, aber vielleicht gut für seine Frau. Vielleicht können das Brennen und Schießen und die Jagd auf seine Feinde ihn beruhigen. »Er glaubt, dass sein Geschäftspartner ihn betrogen hat. Deswegen ist er so wütend. Nicht wegen Ihnen.«
»Wenn er wütend ist«, sagt sie, »dann ist er auf jeden wütend, der in seiner Nähe ist.«
»Werden Sie zum Krankenhaus gehn?«
Señora Dolucca antwortet nicht.
»Ist Eduardo bei Ihnen?« Baz hält inne. Die Zeit läuft. Sie muss jetzt los. Falls sie zu spät kommt, wird sie neu nachdenken, aber wozu sich jetzt mit dieser Frau aufhalten? Die hat ihr Haus, sie hat ihren Ring. Vielleicht findet sie, dass sie genug getan hat. Sie hat ihren Teil der Abmachung eingehalten. Baz begreift. »Auf
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