Diebe
gegen den Bauch drücken, und die Kälte brennt und beißt ihr in die Finger, während Demi schnell sein Hemd auszieht, damit er den Block darin einwickeln und ihn so auf den Schultern tragen kann. Zuerst geht er ganz normal, dann aber, als das Eis zu tropfen beginnt, verfällt er in einen Laufschritt.
»Stell dir vor, was sie für’n Gesicht machen wird«, sagt er keuchend. »Sie wird’s gar nicht glauben, wenn sie’s sieht.« Obwohl das Hemd um das Eis gewickelt ist, wird sein Ohr langsam blau.
»Fay kann froh sein, wenn sie noch irgendwas davon zu sehen kriegt. Und du kannst froh sein, wenn dein Ohr nicht abfällt.«
»Du hast doch nur Schiss, dass du dein Geld loswirst.« Und er läuft noch schneller. Baz läuft neben ihm her, geht sein Tempo locker mit, zieht ihn auf. Es ist ein Spiel, in das sich beide versenken, um nicht an das denken zu müssen, was im Norte-Bahnhof geschehen ist.
Als sie endlich das Barrio betreten, ist der Block noch halb so groß wie am Anfang. »Gutes Geld, schmilzt einem einfach in der Hand weg.«
»Verrat nicht, dass ich hier Geld für bezahlt hab«, keucht er.
Im Barrio, mit all seinen verwinkelten Gassen, ist es gar nicht so einfach, schnell zu laufen. Ein paar übermütige Jungen stellen Demi ein Bein und das Eis fliegt im hohen Bogen in den Dreck. Einen Moment braucht er, um zu Atem zu kommen, dann lässt er so heftige Verwünschungen vom Stapel, dass die Jungen zurückweichen. Baz hebt den Eisblock für ihn auf. Er reißt ihn ihr aus der Hand, und es geht wieder los, im Laufschritt, immer weiter. Über den Graben. Die Treppe hinauf und in die Bude platzend mit dem Ruf: »Fay! Guck mal!«
Von Fay keine Spur.
Demi lässt das Eis auf den Tisch fallen und wirft sich schwer atmend auf einen Stuhl. Baz kommt es so vor, als sei seine Batterie plötzlich leer. Sie holt eine Schüssel und legt das Eisstück hinein. Es hat jetzt ungefähr die Größe von vier Fäusten, nicht übermäßig eindrucksvoll.
Natürlich kommt Fay genau in diesem Moment ins Zimmer, die Schultern hochgezogen, die Hände in den Jackentaschen. Die Luft ist zum Ersticken, trotzdem kann Baz die Kälte spüren, die von Fay ausgeht. Es ist kein guter Tag in diesem Teil der Stadt, für niemanden.
»Warum habt ihr mich nicht angerufen?«, ist das Erste, was sie sagt, während sie El Día , die städtische Tageszeitung, aus der Tasche zieht und auf den Tisch wirft.
Baz sieht Demi an. Fay weiß also bereits, was mit Raoul passiert ist. Demi blickt auf den kleinen Eisklumpen. »Wir sind zurückgekommen, oder? Wer hat dir überhaupt davon erzählt?«
»Miguel hat angerufen.«
»Woher weiß denn Miguel von dieser Geschichte?«
»Der Junge ist intelligent. Kriegt viel mit«, sagt sie.
Intelligent? Miguel? Baz hätte ihn nie im Leben als intelligent bezeichnet. Gewieft höchstens.
»Okay«, sagt Fay. »Könnt ihr mir jetzt mal erzähln, was passiert ist? Habt ihr was gesehn?«
Demi erstattet Bericht, wobei er mit keinem Wort den jungen Mann und dessen seltsames Hilfsangebot erwähnt. Müßig zieht Baz die Zeitung näher heran, damit sie das Foto sehen kann, und da blickt ihr ein Gesicht entgegen, das ihr irgendwie bekannt vorkommt.
»Raoul wird reden.«
»Nein«, sagt Baz. »Da schätzt du ihn falsch ein, Fay.«
Fay sieht sie überrascht an. »Was ist los, Baz? Willste mir widersprechen?«
»Raoul wird nichts sagen, nichts über dich, nichts über uns. Raoul braucht das hier mehr als alles andere.«
Jetzt ist Demi überrascht. »Hat er dir das erzählt?«
»Ja«, sagt sie. »Hat er.«
»Und ich hab ihm gesagt, er soll aufpassen, was er erzählt«, sagt Fay, »hundert Mal hab ich das zu ihm gesagt.«
Sie setzt sich an den Tisch neben Baz, die einen Finger zu Hilfe nimmt, um die Schlagzeile zu entziffern: RAUBÜBERFALL AUF POLIZISTENGATTIN. Fay liest ihr den ersten Absatz laut vor: »Señora Dolucca, Gattin eines hochgestellten Captain der städtischen Polizei, wurde gestern bei einem Einkaufsbummel bestohlen. Der entwendete Gegenstand war ein Ring –«
»Diesen Ring hat Demi genommen.«
Fay lacht kurz auf. »Hast dir die Frau vom Polizei-Captain ausgesucht. Beklau doch nächstes Mal einen Richter, damit er dich gleich für hundert Jahre ins Gefängnis stecken kann! Wisst ihr, was hier noch steht? ›Captain bietet Belohnung für Informationen, die zur Wiederbeschaffung des Rings führen.‹«
Baz blickt auf und hat das Gefühl, dass dieser Ring ein Unwetter heraufbeschwört. Noch nie zuvor hat Demi
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