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Diebe

Diebe

Titel: Diebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Gatti
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sich eine Schachtel gegriffen, immer nur Taschen oder Portmonees.
    »Na, wie findet ihr das?«, sagt Fay. »Und außerdem sagt dieser Captain: ›Es ist höchste Zeit, dass härtere Maßnahmen gegen diese Jugendlichen ergriffen werden, die Jagd auf unschuldige, ehrbare Bürger machen.‹ Wie gefällt euch das? Seid auf Jagd gewesen in der Stadt, Demi. Wie wilde Tiere!«
    Demi zuckt mit den Schultern. »Woher soll ich wissen, wer das ist? Sie war einfach so ’ne etepetete Frau, die mehr Päckchen geschleppt hat, als Obst am Baum hängt.«
    Fay schiebt die Zeitung zu Baz rüber. »Willste ein bisschen lesen üben, Kleines? Und dir dann vielleicht ’n Job suchen? Vielleicht als Lehrerin? Das wär doch was, erste Lehrerin im Barrio. Musst dich aber beeilen – hier in der Zeitung steht, dass alle Leute, die in der Stadt was zu sagen haben, das Barrio abreißen wolln. Bringt zu viele Diebe hervor.« Wieder lacht sie, dann bemerkt sie die Schüssel mit dem kleinen schmelzenden Eisbrocken. »Was ist das denn?«
    »Ham dir ’n Block Eis mitgebracht.«
    »’ne Schüssel Wasser habt ihr mir mitgebracht. Hast du den Verstand verloren, Demi? Hast du da Geld für bezahlt?«
    »Ich bezahl nie Geld, Fay.«
    »Was habt ihr sonst noch mitgebracht?«
    Baz holt die Dollarscheine hervor und gibt sie Demi, der sie an Fay weiterreicht. Fay überschlägt die Menge. »Ist das alles? Wollt ihr mir erzählen, das ist alles, was ihr gekriegt habt? Habt ihr was ausgegeben«, ihre Augen verengen sich, »oder versteckt ihr was vor mir?«
    Jetzt reicht es Demi, er lässt sich zu einer wütenden Antwort hinreißen. »Habn wir etwa so was schon mal gemacht? Wir bringen dir immer alles. Das weißt du, du sagst es doch selbst. Also, was soll das jetzt, Fay? Was willst du damit sagen?«
    Sie schiebt die Geldscheine weg. »Ihr habt keine Ahnung, wie ich unter Druck stehe, ich brauch mehr Geld als das hier, um zu überleben. Wollt ihr hier weiter wohnen? Wollt ihr hier weiter essen? Dann müsst ihr aber bessere Arbeit abliefern.«
    »Wer bedroht dich, Fay?«
    Die Glocke bimmelt. Fay stopft sich das Geld hastig in die Tasche und gleich darauf hören sie schweres Atmen und polternde Schritte auf der Leiter. Es gibt nur einen, der so keucht, wenn er hier raufkommt, denkt Baz.
    Sie springt zur Tür und reißt sie auf.
    Und da steht Raoul. Er lächelt nicht, aber er ist da, und es steht auch kein Polizist hinter ihm.

6
    Beinahe wäre Baz ihm um den Hals gefallen, doch das ist bei ihnen in der Bude nicht üblich. Draußen in der Stadt hat sie schon oft gesehen, wie die Leute sich gegenseitig umarmen und an den Händen halten, Fay dagegen wollte von so was nichts wissen, außer als sie noch ganz klein waren. »Halte Abstand, dann kann dir keiner wehtun«, hat sie ihnen erklärt, und so ist es denn auch immer gewesen – ein paar Neckereien hier und da, aber mehr nicht. Das hindert einen jedoch nicht, eine Person zu mögen, und Baz mag Raoul durchaus – vielleicht nicht ganz so wie Demi, aber ihr gefällt seine Art zu reden, immer mit Ausrufezeichen hinter den Sätzen. Es gefällt ihr, dass sie seine Gefühle erkennen kann. Ansonsten lässt bei ihnen keiner viel erkennen, außer Fay, wenn sie wütend ist.
    Sie berührt ihn am Arm. »Du bist in Sicherheit, Raoul! Was ist passiert?« Und sie zieht ihn ins Zimmer hinein.
    Demi springt auf und geht auf Raoul los, boxt ihn spielerisch. »Bist den Greifern durch die Lappen geflutscht, du –«
    Fay geht dazwischen. »Was fällt dir ein, Raoul, herzukommen, nach dem, was passiert ist?«, faucht sie. »Was denkst du dir? Glaubst du, die Polizei würd dir nicht folgen? Hast nicht drüber nachgedacht?«
    »Fay, ich hab sonst nichts ... Mir ist keiner gefolgt ...«
    Sie hört ihm nicht zu. »Demi, lauf los und guck, ob sich irgendwer in der Gegend rumtreibt, der nicht hierhergehört. Nimm das mit.« Sie wirft ihm ein Handy zu. »Wenn du irgendwas siehst, ruf mich an. Na los!«
    Und schon ist er weg.
    Fay wendet sich wieder Raoul zu. Ihr Gesicht ist angespannt, die Augen rot gefleckt, auch die Ränder sind rot. Sie reibt sich mit dem Handrücken die Stirn und atmet dann tief durch. »Okay«, sagt sie. »Okay.« Sie blickt jetzt etwas nachsichtiger. »Hier. Komm, setz dich hin und erzähl Fay, was passiert ist.«
    Raoul nickt, erleichtert, weil sich ihr Ton geändert hat. Vielleicht wird jetzt alles wieder gut. Er versucht gar nicht erst, Entschuldigungen vorzubringen, das hätte keinen Sinn. Er zieht sich einfach

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