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Diebe

Diebe

Titel: Diebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Gatti
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Ohren weit geöffnet, die Gedanken so wild auf und ab hüpfend wie ihr Herz. Wenn sie nur dieses Herz in die Faust nehmen und zusammendrücken könnte – damit es aufhört, so laut zu schlagen.
    Ein Auto fährt langsam die Straße hinunter.
    Sie sind jetzt am Suchen, streichen mit ihren Taschenlampen über alle dunklen Stellen, überprüfen jedes offene Tor, jeden kleinen Winkel, in den eine Maus kriechen und sich verstecken könnte. Mit Sicherheit werden sie auch dieses Loch in der Straße durchsuchen, es liegt ja direkt vor ihrer Nase.
    Ein Streifenwagen ist ganz in der Nähe. Hält an. Ein greller Lichtstrahl ergießt sich in Baz’ dürftiges Versteck. Sie spürt geradezu das Licht auf ihren fest zusammengekniffenen Lidern.
    »Nichts.«
    Eine antwortende Stimme.
    Dann: »Nein. Verschwenden nur unsere Zeit. Glaubst du, so ’ne Gang hat kein Auto dabei, wenn sie auf Raubzug geht? Wer das glaubt, glaubt auch an den Weihnachtsmann ... Nein, du Dussel, hast nicht den Sohn vom Captain gehört? Der hat den Jungen erkannt, sagt, er würde zu dem Abschaum gehörn, der für Señor Moro arbeitet.«
    Ein überraschtes Pfeifen vom Fahrer. Weitere Worte.
    »Und nichts geklaut. Haben nichts erwischt, sagt der Captain. Nicht ein Stück. Wenn die glauben, dass wir uns hier den Hintern aufreißen, um nach Schatten zu jagen, dann haben sie sich geschnitten. Komm, fahrn wir.«
    Dunkelheit.
    Das Auto fährt weiter. Noch einmal hört Baz quietschende Reifen, als der Wagen am Ende der Straße wendet, dann beschleunigt und an ihr vorbei zum Haus der Doluccas fährt. Weitere Stimmen. Weitere auf- und zugehende Türen und dann, zu guter Letzt, Stille. Baz rührt sich nicht. Baz blinzelt nicht einmal. Kaum, dass sie noch atmen mag. Ihr tun alle Knochen weh. Auch das Gesicht, gegen die steinige Seite des Lochs gedrückt, tut weh, aber das Herz geht jetzt langsamer.
    Mehr Zeit.
    Sie öffnet die Faust. Sie zieht sich die Plane vom Gesicht und macht die Augen auf. Immer noch dunkel. Immer noch still. Als sie den Kopf hebt, zuckt sie zusammen. Sie hat einen steifen Nacken. Sie beißt sich auf die Lippen und rührt langsam ihre Glieder. Frei!
    Wie lange? Eine Stunde? Zwei? Die Sonne geht bald auf. Sie muss sich auf den Weg machen, solange es noch dunkel ist. Sie steht auf und kauert sich augenblicklich wieder nieder. Helle Lichter im Haus der Doluccas. Am Tor sieht sie zwei Polizisten Wache stehen.
    Sie hat keine Wahl. Sie muss hier weg. Wie ein Wurm windet sie sich aus dem Loch heraus, krabbelt in den dunkleren Schatten der Mauer. Sie ist fast aus dem Schneider. Die Männer beim Haus, die dort im hellen Licht stehen, werden nichts sehen können, aber trotzdem macht sie sich möglichst klein, gebückt flitzt sie davon wie eine einsame Ratte auf dem Weg in ihr Nest.
    Die Straße ist lang und dunkel.
    Und was für eine Zuflucht kann ihr Fays Nest noch sein? Sind sie und Demi nicht einfach fallengelassen worden, weggeworfen wie eine Ladung Müll? Wusste Fay, dass das passieren würde?

18
    Zwei Stunden lang ist sie unterwegs, hält sich von der Hauptstraße fern. Sobald sie ein Auto nahen hört, drückt sie sich in den nächstbesten Hauseingang. Ihre Augen brennen. Die Füße tun ihr weh. Dann erscheint ein dünner Lichtstreifen am Himmelsrand. Wenig später spürt sie die Wärme der Sonne auf ihrem Nacken und der Tag hat begonnen. Ihr ist nach Weinen zumute, aber was hätte das für einen Sinn? Fay hat ihnen von Anfang an beigebracht, nicht zu weinen. »Tränen bringen einem nix ein.« Ärgerlich reibt sich Baz mit dem Handballen die Augen und ermahnt sich, mit dem Jammern aufzuhören. Immerhin hat man sie nicht geschnappt. Sie ist frei.
    Mehr Autos jetzt. Mehr Menschen, die nach und nach aus ihren Häusern kommen. Aber es ist eine lange Wanderung in die Stadt. Endlich erreicht sie eine Haltestelle, an der Arbeiter Schlange stehen, um einen Bus zu besteigen, der sie ins Stadtzentrum bringt. Erschöpft steigt auch Baz ein und schmiegt sich in einen Sitz in der Ecke. Ihr Kopf sinkt gegen die Fensterscheibe, ihre Augen gehen zu.
    Es dauert noch eine weitere Stunde, bis sie am Agua ist. Sofort schlüpft sie zurück ins Barrio. Es umfängt sie wie ein Schultertuch und sie fühlt sich sicher.
    Es ist immer noch so früh, dass kein Betrieb herrscht. Das Barrio gehorcht einem anderen Zeitrhythmus als die übrige Stadt. Sogar Mama Balis Tür ist noch geschlossen, das Fenster mit dem rostigen Eisenladen verhängt. Sie läuft weiter zu Luciens

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