Diebesgeflüster - Band 3
unterlag Rain als einzige Frau in der Privatarmee dem speziellen Verbot, keinen Liebhaber führen zu dürfen. Der Lord konnte wenig mit einer schwangeren Wache anfangen, weshalb dieses Risiko zumindest in den Blütejahren ihrer körperlichen Kraft genommen werden sollte.
Gott alleine wusste, was sie dazu bewogen hatte, in diesen scheußlichen Dienst einzutreten. In den zahlreichen schlaflosen Nächten inmitten seiner benetzten Kissen vermochte der Bäcker nie eine Antwort zu finden.
Bacchus ließ den Wagen unten an der Grenzbefestigung stehen und ging über die Rampe hinauf zur Schildwache Rain, die ihn sofort mit einem warmen Lächeln begrüßte.
»Bacchus, wie schön dich zu sehen! Und mein Bauch macht auch Luftsprünge, ich warte schon eine gefühlte Ewigkeit auf die Abendration!«
Der junge Bäcker freute sich darüber, dass die hübsche Dorfwache nicht zornig war, verspürte dennoch das Bedürfnis, sich rechtfertigen zu müssen. »Entschuldige, werte Rain, Seine Lordschaft beansprucht meine Fertigkeiten derzeit in hohem Maße. Es verging keine Sekunde an diesem Tag, an dem ich an etwas Anderes hätte denken können als an Mehl und Teig.«
Schildwache Rain nickte verständnisvoll, nahm Bacchus den halben Laib Brot ab und biss kräftig hinein, den massiven Schild nie von ihrem gut gepanzerten Körper gebend.
»Geburtstagsfeierlichkeiten, hm?«, versuchte Rain kauend hervorzubringen, wobei sie einige Krümel über die hochgelegene Holzplattform verstreute und ihrem Gegenüber damit ungewollt ein sanftes Lächeln ins Gesicht zauberte. Die Schildwache erblickte den verlegenen Bacchus, hörte kurz auf zu kauen und mühte sich vergebens zu schlucken, während sie ihrem gutaussehenden Gesprächspartner direkt in die Augen blickte. Rain hielt sehr viel von dem Dorfbäcker, und deshalb stockte sie, als sich ihre Blicke kreuzten, einen Moment so sehr, dass sich die Brotpampe in ihrem Mund den zaghaften Schluckversuchen widersetzen konnte.
Ein plötzliches Geschrei beendete schließlich ihren kurzen Moment isolierter Zweisamkeit in der Abendsonne. Schildwache Rain würgte den Bissen hinunter und beugte sich über die Palisade, da sie die Rufe außerhalb der Stadt vermutete.
»Wer seid ihr? Was wollt ihr?«, rief sie streng zu den beiden Gestalten hinab, die sich vor der hölzernen Palisade lauthals bemerkbar machten.
Bacchus gefror bei dem scharfen Tonfall das Blut in den Adern, hatte er vor wenigen Sekunden doch noch die liebliche Stimme derselben Person vernommen. Er konnte nicht hören, was die Fremden vor der Stadt wollten. Als Rain hastig die Rampe hinunter zum Tor eilte und ihm dabei noch rasch einen vielsagenden Blick schenkte, beschloss er allerdings, sich auf den Weg nach Hause zu machen, um für den nächsten Tag auszuschlafen.
»Öffnet das Tor«, polterte eine scharfe Stimme hinter dem gigantischen Holzgebilde, das aus mehreren dicken Baumstämmen zusammengesetzt war und den einzigen Eingang zum Dorf Willshire, dem Landgut des Lords Frankis, bildete.
Nachdem die beiden Torhälften wie riesige Flügel nach rechts und links aufschwangen, standen Bunlag und Samjon drei Wachen gegenüber. Als sie auf die gewölbte Brustpanzerung und das wallende Haar der mittleren Wache aufmerksam wurden, staunten sie nicht schlecht. Nicht überall traf man auf weibliches Wachpersonal, schon gar nicht von so hohem Range, wie ihn die zahlreichen Eisenverzierungen auf dem engen Gürtel der rothaarigen Schildwache fast schon bedrohlich verdeutlichten. Bunlag und Samjon mussten beide grinsen, als sich die attraktive Schildwache langsam auf sie zu bewegte.
»Werdet ihr mir nun Antwort geben? Was wollt ihr in Willshire?«
Samjon versuchte, das Grinsen zu einem freundlichen Lächeln zu verziehen. »Wir bitten um Einlass in euer Dorf. Mein Name ist Cornelicas und das ist mein Freund Arkob. Wir sind Reisende.«
»Reisende Händler«, ergänzte der auf Arkob umgetaufte Bunlag, bereute seine unüberlegte Antwort aber sofort, als ihn Samjon in die Rippen stieß. Er hatte nicht nachgedacht.
»Wenn ihr Händler seid, wo ist dann eure Ware?«, bohrte die weibliche Wache in der schwarzen Rüstung misstrauisch nach.
Bunlag bekam Angst. Doch wie immer rettete Samjon die Situation, indem er auf seinen am Gürtel befestigten Lederbeutel verwies.
»Ein lederner Trinkbeutel? Ihr solltet die Lage etwas ernster nehmen, ich könnte euch sofort in den Kerker werfen lassen!«
Bei dem Wort Kerker klappte Bunlag wiederum der Kiefer herab.
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