Diebesgeflüster - Band 3
schleiften über den Boden, aber das war Tebby vollkommen gleichgültig.
»Zieh die verdammte Kutte aus, Mädchen!«, rief Javins vertraute Stimme ihr nach, und Tebby blieb wie angenagelt stehen und wandte sich ganz langsam um.
Genau da, wo sich eben noch das Scheusal gekrümmt hatte, kniete Javin am Boden. Als Tebbys Blick auf ihn fiel, stemmte er sich ein wenig mühevoll auf die Beine.
»Javin! Hier war eben …«
»Ein Monster. Sprich es ruhig aus, Meisterdiebin. Du wolltest wissen, wer und was ich war, bevor mein Fürst mich fand und mir Gnade gewährte. Du hast das Biest soeben gesehen. Ich habe dich kreischen gehört, erzähle mir also nicht, dass es gar nicht so schlimm war.«
Tebby schleuderte das Banner zu Boden und zerrte sich die Kutte über den Kopf, warf auch diesen Stoff von sich und raffte das Banner wieder an sich. Zornig funkelte sie Javin an. »Du hättest mich warnen können.«
»Ich war es, der dich und deine Brüder in die Hand meines Fürsten brachte. Ich mag ein Werwolf sein, aber ich bin nicht dumm. Nie im Leben hättest du mit mir zusammengearbeitet.«
»Du bist der Werwolf des Großfürsten«, sagte Tebby und fand selbst, dass das eine vollkommen überflüssige Bemerkung war. Sie schritt über das Banner hinweg, das wie ein bunter Schmetterling im Gras lag. Kühl und glatt fühlte die Seide sich unter den bloßen Sohlen an. »Warum hast du das Banner nicht geholt? Du bist mühelos in die Festung gekommen. Mit Handkuss haben sie dich eingelassen!«
»Silber, kleine Tebby. Das Banner ist silberdurchwirkt. Der Fürst würde dir das niemals sagen, weil er dir damit eine Waffe gegen mich in die Hand gäbe. Aber du brauchst keine Waffe gegen mich. Das weißt du, nicht wahr?«
Vor Javin blieb Tebby stehen und musterte ihn für einen Moment. »Der Großfürst hält immer sein Wort, hast du gesagt.«
»Ich habe nicht gelogen.«
Tebby streckte die Hand aus und streichelte über Javins Wange. Warm fühlte sich die Haut unter ihren Fingerspitzen an, ein wenig schweißfeucht.
»Dann möchte ich jetzt heimkehren. Zu meinen Brüdern und unserem neuen Zuhause. Javin, auf dem Hinweg hätte ich dich einige Male liebend gerne ermordet. Aber ich verstehe, warum du dieses Geheimnis vor mir verstecken wolltest. Danke, dass du gekommen bist und mich da herausgeholt hast.«
Javin lächelte. Die Zähne sahen immer noch viel zu weiß und stark aus. »Hast du sein dummes Gesicht gesehen?«
»Er kann nicht dümmer ausgesehen haben als ich.«
»Doch, Tebby. Und wie!« Javin legte einen Arm um Tebbys Mitte und führte sie zum Wagen. Er wartete, bis Tebby das Kriegsbanner von Tespins Hald aufgehoben und in den Kasten unter dem Wagen verstaut hatte. In den Händen des Großfürsten sollte es den Krieg verhindern.
Das geflunkerte Funkeln
Flo P. Schmidt
In einer Zeit, in der noch daran geglaubt wurde, dass die Götter in der Nacht den bösen Seelen und Dämonen weichen müssen, fand man in Willshire, einer kleinen Ortschaft in England, zwei merkwürdige Gestalten hinter einem Felsen außerhalb des gleichnamigen Dorfes kauern. Der eine hochgewachsen und schmächtig, der andere muskulös und von geringer Höhe, drängten sie sich beim Versuch, den ohnehin schlechten Augen der Dorfwache zu entgehen, beide mit dem Rücken zum Stein, aneinander. Hier, an diesem mittelalterlichen Sommerabend, begann eine Geschichte, die sich bis heute in verschiedenen ländlichen Gesellschaften erhalten hat und in bäuerlichen Kreisen oft dazu verwendet wird, um sich gegenseitig aufzumuntern und gemeinsam darüber zu staunen. Eine Geschichte, deren Inhalt so oft wiedergegeben wurde, dass sich die Erzählungen von den wirklichen Geschehnissen immer weiter entfernten, bis letztendlich Legenden und Ammenmärchen daraus entstanden. Dabei waren die ursprünglichen Geschehnisse, so wie sie sich vor diesen Hunderten von Jahren in Willshire tatsächlich abgespielt hatten, bereits abenteuerlich genug.
***
»Hör jetzt auf zu rempeln! Du schiebst mich noch aus unserer Deckung«, schnaubte Samjon. Der muskelbepackte Jüngling hatte endgültig genug. Wenn der riesige Bunlag so weiter drängelte, würden sie noch beide auffliegen, bevor ihr Unternehmen überhaupt erst begonnen hatte.
»Ich verstehe nicht, warum wir uns hier verstecken müssen. Die kennen uns doch gar nicht. Wir haben denen nichts getan.«
»Noch nicht. Aber das wird sich bald ändern. Und wenn wir jetzt schon auffällig werden, können wir die Diamanten vergessen. Lass
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