Diebeswelt Sonderband: Der dunkle Held

begann Mignureal.
    »Schimpf nicht mit ihr, Mignue«, unterbrach Hanse.
»Wir wissen beide, daß sie genausowenig wie Wunder eine
normale Katze ist. Aber nein, ich fürchte, du kannst nicht
mitkommen, Regenbogen.« Hanse drehte sich im Sattel um und hob
die gescheckte Katze auf, die sich nicht weigerte, auf Mignureals
Arme zurückzukehren.
    »Sei… sei vorsichtig, Liebling.«
    »Das werde ich. Bis später.«
    Er wartete so lange auf seinem Pferd und blickte ihr hinterher,
bis sie das Ende der Häuserzeile erreicht hatte. Dann bog sie in
Richtung der Gaststätte um die Ecke, und Hanse atmete tief auf.
Mit einem kurzen Blick zum Mond schlug er dem Pferd die Fersen in die
Seite. Trotz Mignureals Warnung mußte er weiter. Er mußte
versuchen, die anderen zu warnen.
    Der erste Teil der Strecke war der schwierigste: Er mußte
sich an die gesetzlichen Bestimmungen halten und bis zum Tor in einer
langsamen Gangart in der Mitte der Straße reiten. Seinem Pferd
behagte das genausowenig wie Hanse. Es erschien ihm wie eine
Ewigkeit, bis er das Nordtor erreicht hatte.
    »Werde den Burschen mal so richtig rennen lassen«, sagte
er so beiläufig er konnte zu den gelangweilten
Torwächtern.
    »Wird ihm bestimmt gut tun. Sieht prächtig aus, das
Tier. Ich wette, er läuft so schnell wie der Wind.«
    Hanse beugte sich vor, schlug dem Pferd die Hacken in die Flanken
und rief: »Haiya!« Der Grauschimmel schoß los wie ein
Pfeil von einer Bogensehne, und Hanse wurde fast von seinem Mantel
erwürgt. Er hielt ihn am Kragen fest, machte aber keine
Anstalten, die Geschwindigkeit des Tieres zu verringern, bis er
Stadthügel erreicht hatte. Auch dann hielt er nur so lange an,
bis er den Mantel zusammengerollt und am Sattel befestigt hatte.
Danach schlug er dem Pferd wieder die Fersen in die Seite.
    »Willst du bergauf rennen, großer Junge?
Haiya!«
    Das Pferd raste die Hügelstraße hinauf, als sei sie
eben.
    Mitten auf dem Weg kamen ihnen vier reiterlose Pferde
entgegengaloppiert. Sie jagten mit unverminderter Geschwindigkeit an
Hanse und seinem Tier vorbei; sie befanden sich offensichtlich auf
einer kopflosen Flucht. Da wußte er, daß sich Mignureals
Vision wieder einmal als wahr erwiesen hatte und daß er nicht
rechtzeitig ankommen würde. Er brauchte eine Strecke von
mehreren hundert Fuß, um sein Pferd bis zu einem Trab
abzubremsen.
    Hanse sah und hörte das prasselnde, knallende und tanzende
Grauen bereits, bevor er sein Ziel erreicht hatte.
    Eine große Fackel loderte auf der Mauer empor, die Corstics
Anwesen umgab, und die Flammen einer anderen Fackel auf dem Rasen
direkt vor dem Herrenhaus zuckten hoch in den Himmel. Und es waren,
wie Hanse erkannte, keine natürlichen Fackeln…
    »Oh… o ihr Götter, ihr Götter…«,
flüsterte er, und er hätte seine Stimme auch dann nicht
erheben können, wenn es sein eigener Körper gewesen
wäre, der da auf der Mauerkrone aufloderte, und nicht die sich
windende und brennende Gestalt von Marll.
    Und die riesige Fackel, die auf dem Rasen kurz vor dem
großen Haus brannte und es so hell erleuchtete – das war
Corstics ehemaliger Hilfskoch. Kurzer war sehr viel
größer, eine Säule aus gelben und weißen
Flammen. Sie ließ das Haus von Corstic dem Magier viel heller
erstrahlen, als sie es eigentlich hätte tun dürfen, und das
große Gebäude schien in diesem unnatürlichen Licht zu
tanzen.
    Corstic hatte Bescheid gewußt. Corstic war zu Hause, und er
forderte einen grauenhaften Preis von den Verschwörern.
    Irgendwo auf dem weiten, grünen Grundstück kreischte
irgend jemand unablässig und laut genug, daß Hanse am
liebsten aufgeschluchzt hätte. Es war ein Mann, den er da so
erbärmlich kreischen hörte, immer wieder, und er schrie mit
der Stimme einer Frau. Corstic forderte von ihm den Preis ein, den er
dafür zu zahlen hatte, daß er sich gegen ihn verschworen
und seinen Grund und Boden betreten hatte. Corstic, dessen
sämtliche Diener und Hunde eigentlich schlafen sollten. Corstic,
Meistermagier von Firaqa. Gemessen an ihm und seinen Kräften
waren die Eindringlinge hilflose Kinder. In seinen Augen waren sie
gerade so lästig wie Grillen in der Nacht für
Nachtschatten.
    Das herzzerreißend schrille Kreischen aus einer
Männerkehle übertönte sogar das Prasseln und Knallen
der menschlichen Fackeln und das unablässige Brüllen
derjenigen, die Hanse am nächsten war.
    Und, Götter, ihr Götter, o Allvater Ils, nun konnte
Hanse es auch riechen, wie er das Platzen von Fettblasen