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Diebeswelt Sonderband: Der dunkle Held

Diebeswelt Sonderband: Der dunkle Held

Titel: Diebeswelt Sonderband: Der dunkle Held Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Offutt
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einfach
mitnehmen.«
    Wunder setzte die Pfote auf den Boden, musterte Hanse eindringlich
und wandte sich dann ab, um auf das Fensterbrett zu hüpfen. Dort
blieb er stehen und starrte demonstrativ hinaus, bis Hanse das
Fenster öffnete und den Kater auf das Dach ließ. Ich
sollte ihm wohl besser einen Waschzuber oder ein anderes
Gefäß mit Sand besorgen, dachte Hanse und tat so, als
würde er den Kater nicht beobachten.
    Die nächsten zwanzig Minuten verbrachte er damit, das
dämliche sture Vieh wieder ins Zimmer zu locken.
    Da er sowieso nichts anderes zu tun hatte, machte er sich
anschließend auf seinen Spaziergang. Ohne darüber auch nur
nachzudenken, begann er sich umzusehen, und ganz automatisch richtete
er den Blick nach oben. Er schätzte die Entfernung zwischen
diesem und jenem Dach ab, überprüfte das Gefälle und
die Begehbarkeit der Dächer. Konnte man diesen Vorsprung
benutzen, um sich daran hochzuziehen oder sich mit dem Fuß
abzustützen? War dieses oder jenes Fenster erreichbar?
    Was sollte ein Mann tun, der seine Jugend mit solchen
Überlegungen und Betrachtungen verbracht hatte, der sich jetzt
aber nicht mehr um die Dinge sorgen mußte, die ihn früher
beschäftigt hatten: das Abendessen, das nächste
Frühstück, eine kleine Gespielin für die Nacht zu
finden?
    Jedenfalls war es interessant, sich mit einem geschulten Auge auf
diese Weise umzublicken, und es half ihm, die Zeit totzuschlagen.
    Irgendwie verging die Zeit, und dann verbrachte er drei Stunden
mit Anorislas und einem Freund des Händlers. Sie ritten mit den
Pferden zum Haupttor und aus der Stadt hinaus. Hanse sah die meiste
Zeit zu, wie die beiden Männer die Pferde auf Herz und Nieren
testeten. Dann machte er seine Erfahrung mit Anorislas’
Ehrlichkeit.
    »Das sind gute Tiere, Hanse, auch der Onager. Der wird Firaqa
wahrscheinlich mit der nächsten Karawane verlassen. Du hast in
Erfahrung gebracht oder bist von selbst darauf gekommen, daß
ein gutes Pferd etwa zwölf Flammen wert ist, nicht wahr?«
Der Firaqaner schwieg lange genug, um ein kleines bestätigendes
Lächeln in Hanses Gesicht zu erkennen. »Das stimmt. Aber
weißt du, Tejanapferde sind begehrt, und ich kann
wahrscheinlich fünfzehn Flammen pro Tier bekommen, Hanse. Es
wäre einfach nicht recht, dir nichts davon zu sagen. Ich habe
versucht, es dir zu verschweigen, aber ich kann einfach nicht anders,
ich muß völlig ehrlich sein.«
    Hanse war tief beeindruckt, obwohl Anorislas’ letzter Satz
wahrscheinlich überflüssiges Geschwätz war. Nur wenige
Dinge machten ihn so mißtrauisch wie ein Mann, der seine
absolute Ehrlichkeit öffentlich verkündete.
    »Aber ich werde nicht einfach das erstbeste Angebot für
gute Tiere akzeptieren«, fuhr Anorislas fort, »und ich bin
nicht reich. Ich würde dir gerne fünfzig Flammen geben und
die fünf Tiere mitnehmen. Dann würde ich gerne in einem
ÖN-Büro vorbeischauen und einen Vertrag aufsetzen lassen,
der besagt, daß ich dir mehr zahle, wenn ich die Tiere
verkaufe. Ich garantiere dir zwölf Flammen für jedes Pferd
und sieben für den Onager. Das wären dann
fünfundfünfzig, genau die Zahl, die du genannt hast,
weißt du noch? Und ich bin bereit, dir die Hälfte von
allem zu zahlen, was die Pferde über fünfzehn Flammen
einbringen.«
    Hanse starrte ihn an, es verschlug ihm fast die Sprache. »Ich
weiß nicht, was ich sagen soll. ›Da gibt es wohl keinen
Grund mehr zu feilschen.‹ oder ›Warum sollte ich dir
vertrauen?‹ Was ist ein ÖN?«
    »Ein Öffentlicher Notar. Wir einigen uns beide auf einen
offiziellen Vertrag, und er ist Zeuge. Wenn ich den Vertrag breche,
muß ich ins Gefängnis. Weißt du, in gewisser Weise
leihst du mir zinslos Geld. Auf der anderen Seite muß ich jetzt
die Pferde füttern und unterbringen. Deine Zinsen werden die
Differenz zwischen fünfzehn Flammen und allem sein, was ich mehr
für die Pferde bekomme. Und ich denke, ich kann mehr
herausschlagen.«
    Hanse wünschte, Anorislas hätte nicht so einen Handel
vorgeschlagen. Für einen verwaisten Straßenbengel, der
schon vor langem gelernt hatte, niemandem zu vertrauen, war das
wirklich eine denkbar schwierige Entscheidung. Und trotzdem, und
trotzdem…
    Im Büro des Öffentlichen Notars sah er zu, wie der Mann
genau das aufschrieb, was Anorislas gesagt hatte. Der kleine Mann
hatte das Dokument mit Puder bestreut und war gerade dabei, es mit
seinem Siegel zu versehen, als sich einer seiner Klienten
plötzlich abwandte und das Büro verließ.

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