Diebin der Nacht
streuen.«
Er legte das Diadem in die Schublade, behielt jedoch Antonias Ring in seiner geballten Faust.
»Dürfte ich nun bitte den Ring haben?«, erinnerte sie ihn.
»Aber warum, Liebling? Der Smaragd ist so groß, dass er eigentlich schon geschmacklos ist, wenn mir auch die Diamanteinfassung recht gut gefällt.«
Seine Worte verursachten, dass ihre Knie weich wurden. Stotternd platzte es aus ihr heraus: »Du hast es versprochen!«
»Immerhin hast du das Diadem gestohlen. Zweimal sogar.«
»Ich habe es dir aber gegeben, oder etwa nicht?«
»Was erwartest du nun, eine Belohnung?«
»Nein, ich will den Ring. Laut Gesetz gehört er auch dir nicht.«
Er warf ihr einen langen, harten Blick zu. Irgendetwas ließ seine Augen weicher werden - irgendetwas, das fast schon an Einfühlungsvermögen grenzte - das Grinsen brachte jedoch seine Absicht zum Ausdruck. »Ja. Du hast ja Recht. Streng genommen nehme ich fremdes Eigentum an, nicht wahr? Ich vermute, das macht uns zu Komplizen. Der Casanova und die Lady Moonlight - klingt wie der Titel eines Romanes, nicht wahr?«
Als er noch immer keine Anstalten machte, ihr den Ring zu geben, kam eine plötzliche Wut in ihr auf. Sie stürzte sich auf ihn, packte seine Faust und versuchte, diese mit Gewalt zu öffnen. Ebenso gut hätte sie versuchen können, einen Felsen zu sprengen. Er machte keine Anstalten, sie aufzuhalten, sondern war nur äußerst belustigt über ihre nutzlosen Bemühungen.
Im Kampf wurde ihr plötzlich bewusst, dass sie sich mit ihrem ganzen Gewicht eng gegen ihn lehnte. Durch ihre Anstrengung atmete sie schwer, ihr Gesicht befand sich nur wenige Zentimeter von dem seinen entfernt.
Ihre Blicke hielten aneinander fest, der Kampf war beendet. Sie sah Heiterkeit in seinen Augen, eine völlig andere Gefühlsregung schien sich in seinem Wesen breit zu machen. Sie konnte seine Maskulinität spüren, die Macht und die Gefahr, die durch ihn hindurchzuströmen schien. Sie konnte das plötzliche, pulsierende Verlangen tief in ihren Lenden nicht leugnen, genauso wenig die Angst, die einen bitteren Geschmack in ihrer Kehle hinterließ.
Sie legte beide Fäuste gegen seine breite Brust und drückte sich von ihm ab.
»Du hast es versprochen«, wiederholte sie, inzwischen schon so frustriert, dass heiße Tränen aus ihren Augen quollen. Sie musste an Baylis denken, der sie wie ein Gefängniswärter bewachte, und an ihr gemietetes Zimmer in der Centre Street, ihre letzte Zuflucht. Der Ring war ihr einziger Ausweg. Selbst wenn sie aus dieser neuen Falle Carolines fliehen konnte, so konnte sie doch niemals hoffen, allein und ohne den Ring überleben zu können.
Rafe beobachtete, wie eine kristallene Träne an ihren Wimpern hängen blieb, einen Moment lang vibrierte und dann im Zickzack ihre Wange hinunterlief.
»Warum ist das so wichtig?«, gab er nach. Mit einer großen Geste reichte er ihr schließlich den Ring. »Wird der alte Rillieux dich schlagen, wenn du ihm den Ring nicht gibst?«
Mystere hielt den Smaragd in ihrer Hand und starrte ihn an wie in stillem Gebet. Dann steckte sie ihn in ihre Tasche und sagte: »Er weiß nicht, dass ich ihn genommen habe. Ich hatte es dir doch schon am Sonntag gesagt, dass ich Geld brauche, um nach meinem Bruder suchen zu können.«
»Ja, und ich hatte dir gesagt, dass du zweifelsohne deine Zeit vergeudest. Wenn eine Erpresserbande ihn sich vor so langer Zeit schon geschnappt und zur See gezwungen hat, wird er kaum irgendeine Chance gehabt haben, heute noch am Leben zu sein.«
»Fein. Das hast du nun schon zweimal gesagt. Es ist jedoch meine Zeit; ich kann sie vergeuden, wie ich will.«
Sie machte eine Bewegung zur Tür hin, er packte sie jedoch beim Handgelenk und hielt sie zurück.
»Stiehlst du noch immer für den alten Mann?«, wollte er wissen.
»Nein.«
»Doch, du tust es.«
»Warum machst du dir erst die Mühe, mich zu fragen, wenn du mich dann sowieso eine Lügnerin nennst?«
»Lügnerin? Nun, wenn dich das beleidigt, so erlaube mir, es taktvoller auszudrücken: Ich würde deine Antwort als weit von der Wahrheit entfernt bezeichnen. Immerhin scheinst du ja ein großes Talent zur Täuschung zu haben.«
Sie versuchte, ihren Arm wegzuziehen. »Dann solltest du auf jeden Fall den Raum inspizieren, nachdem ich gegangen bin. Lass mich los!«
Er ignorierte sie einfach. Seine zynische Fassade war inzwischen voll und ganz zurückgekehrt.
»Schluss mit dieser verdammten Stehlerei«, befahl er ihr. Sein Tonfall steigerte
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