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Diebin der Nacht

Diebin der Nacht

Titel: Diebin der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meagan McKinney
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zulassen, dass er durch ihr Verhalten Schaden davontrug.
    »Warum nicht wenigstens meine Geliebte werden?«, fragte er, als sie sich schweigend abwendete und ihre Hand auf den Türknauf aus Porzellan legte.
    »Weil ich persönlich«, antwortete sie kühl, bevor sie seine Suite verließ, »es ehrenhafter finde, eine Diebin zu sein als eine Konkubine. Außerdem könnte ich mich niemals wohl dabei fühlen, die Liebkosungen eines Mannes zu genießen, den ich so durch und durch verachte.«

25
    Da die Diebe, die sich als Paul Rillieux’ Diener ausgaben, für ihre häusliche Knechtschaft nicht entsprechend entschädigt wurden, hatte Mystere darauf bestanden, dass sie immer dann frei haben sollten, wenn ihre Dienste nicht unmittelbar erforderlich waren. Rillieux nörgelte deswegen zwar ständig herum und beklagte sich, dass solche Freiheiten die Illusion gefährden würden, die er so kunstvoll geschaffen hatte. In diesem Punkte hatte Mystere jedoch hartnäckig ein Machtwort gesprochen, und der alte Mann musste widerwillig nachgeben.
    So kam es also, dass Hush genügend Zeit hatte, am frühen Nachmittag des Samstages, an dem Mrs. Astors Gesellschaft stattfinden sollte, die Fähre von der Batteiy nach Staten Island zu nehmen. Er hatte bis sechs Uhr abends Zeit, bis er wieder seinen Frack - wie er ihn nannte - an- ziehen und für die Fahrt zur Astor- Residenz bereit sein musste.
    Er hatte seine neuen Lesekünste dazu benutzt, Rafe Bellochs Namen im Telefonverzeichnis nachzuschauen. Unter diesem Namen waren zwei Adressen aufgelistet, eine im Astor House Hotel und die andere auf Staten Island. Als er im Hotel nach Beiloch fragte, informierte der Empfangschef ihn, dass dieser nicht vor Montag dorthin zurückkäme. Also beschloss Hush, es mit der Bay-Street-Adresse zu versuchen.
    Nur wenige andere Passagiere stiegen zusammen mit ihm an dem hölzernen Schiffslandeplatz aus; die meisten waren Inselbewohner, die von ihrem Einkaufsbummel oder Arbeitsplatz in der City heimkehrten. Es war ein heißer, windstiller Tag, nur ein paar Wolkenfetzen waren am Himmel, der so blau war wie eine Lagune, zu sehen. Hush marschierte auf dem zerstoßenen Kies die Bay Street entlang. Er ging in Richtung Süden auf ein riesiges weißes Haus zu, das oben auf einer kleinen Anhöhe stand und die Upper Bay zu beherrschen schien.
    »Menschens ki nd!«, murmelte er vor sich hin, als er sich der eindrucksvollen schmiedeeisernen Pforte näherte, dessen Pfeiler wie Artilleriegeschütze in den Himmel ragten. Noch stärker beeindruckt - geradezu eingeschüchtert - wurde er durch den hünenhaften Pförtner, der aus dem Pförtnerhäuschen heraustrat, um ihn zu begrüßen.
    Der Mann lächelte freundlich zu ihm hinunter. Hush konnte jedoch seine Augen kaum von der Pistole abwenden, die in seinem Gürtel steckte.
    »Heda, Junge«, begrüßte der Riese ihn mit starkem, irischen Akzent. »Was treibt dich denn hierher? Hast dich wohl verlaufen?«
    »Nein, Sir. Ich bin gekommen, um Mr. Beiloch zu sprechen, bitte.«
    »So, bist du das? Erwartet er dich?«
    »Nein, Sir.«
    »Junge, das hier ist kein Spielplatz. Mr. Beiloch ist ’n wichtiger Mann. Er empfängt Gäste normalerweise nur auf Anmeldung, verstehst du?«
    »Ja, Sir. Aber - aber es ist sehr wichtig, dass ich ihn spreche.«
    »Wichtig, sagst du?« Der Riese ließ sich das ein paar Sekunden lang durch den Kopf gehen, während er den Jungen mit amüsierten, neugierigen Augen durch das Tor hindurch anschaute.
    »Wie alt bist du, Kleiner?«
    »Zwölf, Sir.«
    »Und der Grund deines Besuches?«
    »Der ist ... ziemlich privat, Sir, ohne dass ich Ihnen gegenüber respektlos sein will. Das kann ich nur mit Mr. Beiloch persönlich besprechen.«
    Die Neugierde des Wachpostens schien mittlerweile sein Zögern zu besiegen. Er schaute zum Haus hinüber, und Hush folgte seinem Blick. Auf einer abgezäunten Koppel hinter einer Ecke des Hauses konnte er einen distinguiert aussehenden Mann in hellbrauner Reithose und hohen Stiefeln erkennen. Er striegelte ein rotbraunes Pferd, das lediglich ein Halfter trug.
    Der Pförtner drehte sich um und zog an einer Glocke an der Tür des Pförtnerhäuschens, um so die Aufmerksamkeit des Mannes auf sich zu ziehen. Hush beobachtete, wie dieser die Bürste an einen Stalljungen übergab und entschlossen über den grünen, abfallenden Rasen auf sie zukam. Sein kastanienbraunes Haar trug er kurz und glatt nach hinten gekämmt. Hush gefiel das Gesicht des Mannes, obwohl er einen kleinen inneren

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