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Diebin der Nacht

Diebin der Nacht

Titel: Diebin der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meagan McKinney
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York und Brooklyn ein solch spektakuläres Feuerwerk inszeniert, wie es die Welt noch nicht gesehen hatte.
    Vier Stunden lang hatte der Nachthimmel über dem East River in brillanten Farben geglüht. Alle, ob jung oder alt, waren aus ihren Häusern gekommen, um an diesem Schauspiel teilzuhaben.
    Dann, nur wenige Sekunden nach dem Abbrennen der letzten Leuchtkugelröhren, war ein atemberaubender Vollmond hinter den dunklen Wolken hervorgetreten und hatte die neue Brücke in eine überirdisch leuchtende Aura getaucht. Diese natürliche Lichtschau hatte die Zuschauer noch mehr verzaubert als das Feuerwerk selbst - und genau dies war der Zeitpunkt gewesen, als Mystere, perfektioniert durch eine zwölfjährige Ausbildung bei Rillieux, Carolines Armband entwendet hatte.
    Auf diese Weise regte Lady Moonlight sofort die Vorstellungskraft der Öffentlichkeit an und wurde für die weniger vom Glück Begünstigten zu einer Heldin. Schon bald gehörte es fast zum guten Ton, eines ihrer Opfer geworden zu sein. Von Lady Moonlight beraubt zu werden, bedeutete letztendlich, einer Elite anzugehören - sie beraubte ja schließlich niemals ein Mitglied der Mittelschicht. Nach ihr Ausschau zu halten, über ihre Identität oder ihr nächstes Opfer zu spekulieren - all dies verlieh dem ziemlich langweiligen Leben der Oberschicht ein wenig Nervenkitzel.
    Erneut zerstreute Rillieux’ Stimme ihre Gedanken.
    »Nimm dies«, sagte er zu ihr und drückte ihr ein paar Banknoten in die Hand. »Vielleicht kann ich dann und wann ein wenig mehr Geld für dich zusammenkratzen. Aber du musst mir versprechen, es nicht für die Suche nach Bram zu vergeuden.«
    Es zu vergeuden ... nein, dachte sie, es wäre vergeudet, wenn sie es für noch mehr Kleider oder Parfüm ausgeben würde. Die Suche nach Bram jedoch war für sie so lebensnotwendig wie die Luft zum Atmen. Ihre Antwort war daher zumindest eine Halbwahrheit.
    »Ich werde es nicht vergeuden«, versprach sie. »Wirklich nicht.«
     

3
     
    Nachdem Caroline erst der zungenfertigen Gelehrsamkeit und dem europäischen Charme Paul Rillieux’ erlegen war, war dessen Anerkennung perfekt. Niemand dachte auch nur im Traum daran, seine Behauptung nachzuprüfen, sein Reichtum stamme aus französischem Feudalbesitz. So hatte er also, ohne dass nach weiteren Referenzen gefragt wurde, ein geräumiges Herrenhaus aus rötlich braunem Sandstein in der Nähe der Great Jones Street und des Lafayette Place, einem der beliebtesten Standorte Manhattans, erwerben können.
    Mystere war ein kompletter Flügel im oberen Stockwerk als ihr Privatgemach zugeteilt worden. Am Morgen nach der Abendgesellschaft bei den Astors war sie schon früh wach, da sie am Vormittag eine Verabredung im Central Park hatte.
    Sie führte eine rasche Toilette durch und bestäubte ihr Gesicht leicht mit Puder. Dann kam ein ermüdendes, tägliches Ritual an die Reihe: Nur mit einer rüschenbesetzten, langen Damenunterhose bekleidet stand sie vor einem Toilettenspiegel aus Sterlingsilber und grünem Samt und umwickelte ihre Brust sorgfältig mit Streifen aus Leinen. Diese Prozedur war beschwerlich und unbequem, Rillieux hatte jedoch darauf bestanden.
    »Wir wollen eine hübsche Debütantin haben und keine wunderschöne Frau«, hatte er sie angewiesen. »Wir wollen, dass die Männer dich anschauen und denken: >Nun, vielleicht in ein paar Jahren, jetzt jedoch noch nicht<. Wir wollen, dass sie dich wieder aus ihren Gedanken verbannen und irgendwo anders hinschauen, während du sie um ihren Besitz erleichterst.«
    Sie beendete das Einwickeln und zog sich ein seidenes Unterkleid an. Danach ging sie zu einem hohen, mit Satin ausgekleideten Schrank hinüber und entschied sich für ein schwarzes Kleid aus Kammertuch. Es war schlicht, ohne jeglichen Schick, aber das war genau das, was sie für dieses Treffen benötigte. Nachdem sie angekleidet war, steckte sie ihr mahagonifarbenes Haar nach hinten zu einem ordentlichen Nackenknoten zusammen.
    Ziemlich eintönig und langweilig, bestätigte sie sich, als sie ihr Aussehen im Spiegel begutachtete. Um dem Ganzen noch den letzten Schliff zu geben, setzte sie sich eine Witwenhaube mit Schleier auf. Ja, das sollte genügen - eine arme Witwe konnte sich allein und unbelästigt in der Stadt bewegen. Und durch den Schleier bedeckt würde wohl keiner der »oberen Vierhundert« sie bei ihrer Verabredung im Park erkennen.
    Ein plötzliches Klopfen an der Tür ihres Ankleidezimmers ließ sie zusammenfahren. »Mystere?

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