Diebin der Nacht
hatte. Erneut hatte sie den Verdacht, dass Rafe mehr aus irgend- einer persönlichen Motivation heraus sprach als aus tiefer, emotionaler Überzeugung.
Genauso, wie es ihm durch sein Benehmen am Vorabend schon gelungen war, so verscheuchte er auch jetzt durch seinen Angriff Pollard und die anderen. Sie schaute auf und nahm wahr, dass Rafe sie ganz für sich allein hatte. Sie fragte sich, ob das nicht vielleicht die ganze Zeit über seine Absicht gewesen war.
Seine intensiven, dunklen Augen tasteten sie offen und zugleich verächtlich ab, sie ließ sich jedoch nicht von ihm einschüchtem. Sie hatte beschlossen, selbst in die Offensive zu gehen, damit dieser gefährliche Mann keine Macht über sie gewinnen konnte.
»Sie können in der Tat ganz schön streitlustig sein, Mr. Belloch«, verspottete sie ihn. »Ihnen kann man wirklich nicht nachsagen, ein Herdentier zu sein.«
»Leuten von Rang klein beizugeben, ist eine gute Sache, Miss Rillieux, wenn das einzige Ziel es ist, ein schwanzwedelnder Schoßhund wie Ward McCallister zu werden.«
»Sie haben weiterreichende Ziele, wenn ich Sie richtig verstehe?«
Diese unverschämten, dunklen Augen drangen tief in sie hinein. »Oh, in der Tat. Mein ... Verlangen kennt keine Grenzen.«
Oder meine Zerstörungslust, schien sein Tonfall hinzuzufügen.
Trotz ihres soeben gefassten Beschlusses ließ diese Zweideutigkeit sie erröten. »Ich bin neugierig, Mr. Belloch. Sie sind doch unverkennbar ein Mann von Leidenschaftlichkeit. Sie sind außerdem reich und durchaus ein netter Anblick für das weibliche Auge.«
Er machte galant eine leichte Verbeugung, um sich für das Kompliment erkenntlich zu zeigen.
»Warum um alles in der Welt hängt also ein so guter Fang wie Sie noch immer nicht am Haken? Sind wir Frauen es, die Sie verachten, oder ist es einfach nur die Ehe?«
»Keines von beiden, Miss Rillieux, obwohl ich zugeben muss, dass die Ehe wenig Anziehungskraft auf mich ausübt. Ich finde sie zwar nicht völlig undenkbar, in meinem Falle jedoch sollte die Ehe ein - ein letzter Ausweg sein.«
»Ein letzter Ausweg für was ?«
Seine Lippen verkniffen sich zu einem Lächeln. »Sie sind ganz schön neugierig für Ihr Alter, das muss ich schon sagen.«
Erneut spürte sie, wie seine süffisante, aufreizende und selbstgefällige Stimme ihr auf die Nerven ging. Auf seine ihm eigene Art war er genauso egozentrisch wie Pollard. Wo Pollard jedoch nur ein harmloser Griesgram war, schien dieser Mann gefährlich wie ein Wolf. Sie hatte keinen stichhaltigen Beweis für ihre Überzeugung, war sich aber trotzdem sicher.
»Vielleicht«, brachte sie vor, wobei sie so tat, als würde sie die Menge beobachten, »sollten Sie lieber Antonia Butler über Ihre instinktive Abneigung gegen die Ehe in Kenntnis setzen. Seit ich hier bin, hat sie Sie nicht mehr aus den Augen gelassen.«
»Das haben Sie also bemerkt? Nun, ich werde sie nicht warnen. Der Adler hat schließlich kein Mitleid mit den Lämmern.«
Sie köderte ihn mit ihrem Lächeln. »Caroline Astor jedenfalls ist doch kein Lamm. Und ihr >Schoßhund<, wie Sie Ward nennen, hat in letzter Zeit ständig von einer möglichen Heirat zwischen Ihnen und Carrie gesprochen.«
»Das sind also schon zwei Frauen, die Sie mir zugedacht haben. Stellen Sie vielleicht gerade einen Harem für mich zusammen?«
»Warum nicht? Vielleicht mache ich auch drei daraus, indem ich Caroline selbst hinzufüge. Sie liebt es so sehr, Ihre Wangen zu liebkosen.«
Er zog die Augenbrauen hoch, und sein Mund formte sich zu einem harten Lächeln. »Das ist ja interessant.«
»Was?«
Er stieß ein scharfes, bellendes Gelächter aus. »Sie, Sie sind es. Wie mir scheint, hat unser hilfloses, kleines Kätzchen seit gestern Abend seine Krallen entdeckt.«
»Selbst Kätzchen schlagen zurück, wenn man sie drangsaliert.«
»Drangsaliert? Nun kommen Sie schon, das ist doch wohl um einiges zu hart ausgedrückt.«
Noch während er sprach, schien sein Handeln jedoch seine Worte Lügen zu strafen, denn er umfasste ihren Arm mit eisernem Griff. Die großen Fenstertüren standen offen, um ein wenig Luft hereinzulassen. Er »begleitete« sie durch die am nächsten gelegene hinaus auf einen schmiedeeisernen Balkon. Dann stellte er sich zwischen sie und die Fenstertür, um ihre Flucht zu vereiteln.
»Ich möchte nicht hier draußen sein«, ließ sie ihn wütend wissen, wobei sie jedes einzelne Wort betonte.
»Nein? Dann springen Sie doch. Es sind lediglich zwei Stockwerke.
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