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Diebin der Nacht

Diebin der Nacht

Titel: Diebin der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meagan McKinney
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auch nach Five Points gemacht hatten, das maskierte Mädchen hatte nie wieder ihren Weg gekreuzt. Dann jedoch - völlig unerwartet - war sie ihm begegnet, blass und unscheinbar, mädchenhaft gekleidet in das Gewand eines Unschuldslammes. In seinem Herzen und in seiner Seele brannte die Überzeugung, sie gefunden zu haben.
    Andere Frauen, andere Spiele.
    War er sich selbst gegenüber ehrlich, so musste er zugeben, dass er sie wollte - und wenn auch nur wegen der heimlichen Lust, sie demaskieren zu können. Er wollte sie wegen der rachsüchtigen Genugtuung, die er bei ihrer Entwaffnung empfände. Und im dunkelsten Winkel seiner Seele wusste er, dass er sie vor allem wegen der süßen, sexuellen Erregung wollte, die ihre Kapitulation in ihm hervorrufen würde.
    Der Vorwurf in ihren Augen, ihr verletzter Ausdruck, all dies waren Dinge, um die er sich später kümmern würde. In erster Linie war er aber ein Mann, und er hungerte nach Eroberung. Eroberung einer Beute seiner Wahl.
    Als die Dichterlesung immer näher rückte, hatte es den Anschein, dass die Rillieux’ nicht erscheinen würden. Rafe konnte sich eines Stiches der Enttäuschung nicht erwehren. Wenn es eine unter ihnen gab, mit der er sich sehnte zu spielen, so war es diese Schönheit.
    Dann aber, nur wenige Minuten nach Beginn der Lesung, sah er Mystere am Arm ihres Onkels die Bibliothek betreten.
    Ihr Blick streifte ihn und glitt dann schnell wieder weg.
    Seine Instinkte legten sich, sein Argwohn entflammte aufs Neue. Er hatte noch etwas anderes an dem Mädchen entdeckt: Sie lächelte nur selten. Wenn sie es aber tat, so war dies ein nervöses Lächeln, das Lächeln einer Frau, die zu viele Geheimnisse hatte.
    Während er sie noch anstarrte, konnte er beobachten, wie ihr Onkel ihr einen Platz anwies. Obwohl es nicht warm war, fächerte sie sich mit einem kleinen weißen Spitzenfächer zu. Ihre zarten Schultern sahen angespannt und verkrampft aus, und er fragte sich, ob es ihre späte Ankunft war, die sie so nervös gemacht hatte.
    Dann jedoch machte sie den fatalen Fehler, seinen Blick zu erwidern.
    Ihr Zögern und ihre innere Unruhe sandten Blitze durch seinen Körper, die ausgereicht hätten, ganz Manhattan in Flammen zu setzen. Und dann war er sich plötzlich sicher: Sie war Lady Moonlight, genauso wie sie seine Angreiferin in der Gasse war. Und sie würde eines Tages ihm gehören.
    Es wird langsam Zeit, entschied er, während er den Raum überblickte, dass ich ein paar Erkundigungen über das angebliche kreolische Fräulein aus New Orleans einhole. Er musterte Rillieux. Und über diesen »Onkel« von ihr, das könnte nicht schaden.
    Sein Mund verzog sich zu einem verächtlichen Lächeln. Er brannte darauf, dass Mystere sich umdrehte und ihn ein weiteres Mal anschaute; sie saß jedoch steif da und hielt ihre Geheimnisse verborgen wie gestohlene Juwelen.

6
    David Cyril Oakes, der von Mrs. Astor protegierte Dichter, um den solch ein Rummel veranstaltet wurde, stellte sich als älterer Mann heraus mit wilder Mähne und weißem Bart, der direkt dem ersten Buch Moses hätte entstammen können. Er war Gastprofessor am Columbia College. Die düsteren und bedrückenden Meditationen des Walisers über Tod und Sterben sowie seine schwülstige Verehrung pastoralen Lebens kamen Mystere überladen und penetrant vor - genauso wie der Blumenschmuck, den Emma Vemon zum Dekorieren der Bibliothek ausgewählt hatte.
    Aber wie vorauszusehen, täuschten die zu Tode Gelangweilten Interesse vor, da ihre gute Erziehung es von ihnen verlangte. Der Raum brach in lauten Applaus aus, nachdem Oakes schließlich mit einem besonders schwülstigen Gedicht zu einem stöhnenden, verzweifelten Abschluss gekommen war.
    »Dieser Mann ist todlangweilig,« murmelte Abbot Pollard in Mysteres Ohr, obwohl er mit enthusiastischer Begeisterung klatschte. »Der Esel wackelt mit seinen Ohren, und ein weiterer Gesellschaftsdichter ist geboren. >Oh Tod, du dunkler Dämon.< Welch ein Unsinn! Pope und Dryden würden sich in ihren Gräbern umdrehen.«
    »Auf jeden Fall ist er ziemlich bedrückend«, stimmte sie ihm zu. Aber selbst, als sie dem ewig unzufriedenen Pollard zulächelte, konnte sie Rafe Bellochs frostigen Blick wie eine kalte Hand auf ihrem Nacken spüren.
    Aus ihrem Inneren vernahm sie eine warnende Stimme.
    Er beobachtet mich, entschied sie. Er wartet nur darauf, dass ich einen Fehler mache.
    In der Zwischenzeit war Pollard zu einer seiner Lieblingstiraden übergegangen: dem Niedergang und

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