Diebin der Nacht
Vielleicht wird Ihre Unschuld Sie ja retten?«
»Mr. Beiloch, im E rn st, Caroline bat mich, mich um Carrie zu kümmern, und ich -«
»Carrie ist mit Ihrem Onkel beschäftigt. Wie ich festgestellt habe, verzaubert er die ganze Damenwelt. Haben Sie zufällig die New York World von heute Morgen gelesen ?«
»Nein«, erwiderte sie kalt. »Ich komme kaum dazu, die Times zu lesen.«
Seine prüfenden Augen zwangen sie, den Blickkontakt abzubrechen. »Sie brachten heute einen anschaulichen Artikel über den Diebstahl der Pendergast-Brosche. Der Verfasser scheint in der Tat recht angetan zu sein von unserer Lady Moonlight. Er sieht sie wie eine Art Klassenkämpferin, die die Reichen bestraft.«
»Wie ich gestern Abend schon sagte, Mr. Beiloch, ist es überhaupt noch nicht erwiesen, dass es sich bei dem Dieb um eine Frau handelt. Aber offen gesagt ist mir das so oder so ziemlich egal. Ich teile Ihre augenscheinliche Leidenschaft für gewöhnliche Diebe nicht. Und nun, wenn Sie mich bitte entschuldigen möchten ...«
Sie versuchte, sich um ihn herumzuwinden, er war jedoch schneller. Einen Moment lang hielt er sie zurück, indem er mit seinen Händen ihre Taille umfasste. Bei dieser unerwarteten Berührung spürte sie, wie ein Feuerstoß durch ihren Körper jagte und ihre Beine schwach werden ließ. Sie versuchte sich freizukämpfen, er jedoch hielt sie ohne große Anstrengung zurück. Seine Kraft, erkannte sie, war beeindruckend - und entmutigend.
Ihre Blicke trafen sich. Eine lodernde Gefühlsregung veränderte die Farbe seiner Augen. Er schaute hinunter auf seine Hände und ein ironisches Lächeln verzog seine Mundwinkel. »Wenn ich nicht ein Gentleman wäre«, flüsterte er ihr ins Ohr, »könnte ich jetzt meine Hände ein paar Zentimeter höher schieben und eine meiner Vermutungen überprüfen.«
Ihr Herz raste vor Angst. Eine unerwünschte, prickelnde Wärme dehnte sich tief in ihrem Magen aus. Sie starrte ihn an. Sein Blick hielt dem ihren stand, und ihr Atem wurde schneller und unregelmäßiger.
»Bitte, Mr. Belloch, das ist äußerst unschicklich«, flüsterte sie beinahe flehentlich.
Er beugte sich weiter zu ihr hinunter, so nah, dass sie spüren konnte, wie sein Atem ihre Schläfe liebkoste.
»Sie brauchen keine Angst vor mir zu haben«, sagte er mit tiefer, einschmeichelnder Stimme. »Im Grunde sind wir uns nämlich ähnlich, Sie und ich. Wir machen beide Beute auf die >oberen Vierhundert -«
»Ich weiß nicht, wovon Sie reden«, unterbrach sie ihn, während sie versuchte, sich aus seinem Griff zu befreien.
»Sie wissen es nicht?« Er lachte leise in sich hinein, und sein Griff wurde zu einer Fessel. Langsam arbeitete seine Hand sich an ihrem Korsett hinauf. Langsam, als würde er seine Begierde und seine Verdächtigungen genießen. Und seine Lust.
Sie ergriff seine Hand und warf ihm einen giftigen Blick zu. Paul hatte Andeutungen über irgendein Schmuckstück gemacht, das Sylvia Rohr gehörte. Aber nicht nur, dass es heute keinen Diebstahl geben würde; Mystere könnte von Glück reden, wenn sie davonkäme, ohne dass das Geheimnis ihrer Tarnung aufgedeckt werden würde.
»Wenn Sie nicht augenblicklich Ihre Hände entfernen«, drohte sie ihm, »so schwöre ich, werde ich nach meinem Onkel rufen.«
Er ließ sie los, versperrte ihr jedoch noch immer den Weg.
Außer Stande, sich seinem spottenden, anklagenden Blick zu stellen, drehte sie sich um und ging zur Balkonbrüstung hinüber. Das Licht des späten Nachmittags hatte schon begonnen, die gedämpfte Sattheit kurz vor dem Sonnenuntergang anzunehmen. Zwei samtige englische Setter spielten im Garten unter ihnen. Sie beobachtete die beiden, während sie versuchte, ihre Atmung wieder unter Kontrolle zu bekommen.
»Es ist nicht der gewöhnliche Dieb, der mich interessiert, Miss Rillieux«, sagte er hinter ihrem Rücken. »Wie ich Ihnen gestern Abend schon sagte, es ist der Gesellschaftsdieb, der mich fasziniert.«
»Ja, und Sie deuteten außerdem an, dass Sie vermuten, mein Onkel und ich seien Mitglieder irgendeines Diebesringes. Wenn Sie Beweise haben, warum gehen Sie dann nicht zur Polizei damit und hören auf, mich zu belästigen?«
»Ich habe nicht den geringsten Beweis. Vor zwei Jahren jedoch wurde ich in Five Points von einer Bande ausgeraubt. Einer davon war eine Frau. Eine wunderschöne Frau, die Ihnen sehr ähnlich sah. Außer, dass sie ... hmm, sagen wir, vollere Rundungen besaß, als Sie sie zu haben scheinen.«
»Oh? Erwarten Sie nun von
Weitere Kostenlose Bücher