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Diebin der Nacht

Diebin der Nacht

Titel: Diebin der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meagan McKinney
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ihm direkt in seine blutunterlaufenen Augen schaute.
    »Hm!« Ihre direkte Frage schüchterte ihn ein, und er zog prompt von dannen. Selbst wenn dieses Briefchen alles war, was sie hatten, so wusste sie doch, dass das in den Händen von Rafe Belloch eine Menge sein konnte. Er konnte sich eine ganze Schar sehr viel kompetenterer Detektive als Lorenzo leisten.
    Bis zu diesem Punkt war es Mystere gelungen, ihre Fassade aufrechtzuerhalten. In dem Moment jedoch, als Hush die Tür schloss, konnte sie das volle Ausmaß der Verzweiflung spüren. Ihre Beine fingen plötzlich an zu zittern.
    »Mystere!«, rief Hush aus, als sie kurz vor einer Ohnmacht stehend stolperte und beinahe hingefallen wäre. Er nahm ihren Arm und führte sie zu einem altmodischen Stuhl neben dem Telefon. »Kann ich dir etwas holen?«
    Das Gesicht des Jungen war bleich vor Sorge. Sie tätschelte seine Wange. »Da stehen eine Karaffe mit Brandy und ein paar Gläser in diesem Eckschrank im Salon. Sei so lieb und gieß mir ein wenig davon ein. Aber nur ein klein wenig.«
    Er nickte und eilte in den Salon. Wie, fragte sie sich niedergeschlagen, hatte ihr Leben sich nur in diesen traurigen Zustand verwandeln können ? Alles, was sie von dieser Welt erwartete, erschien ihr so einfach: ihren Bruder zu finden und in Erfahrung zu bringen, wer sie war. Ohne Bram war sie ganz allein auf dieser erbärmlichen Welt, ohne einen Nachnamen jeglicher Familiengeschichte beraubt und ohne Blutsverbindungen den Menschen um sich herum ausgeliefert. Die Mächte, die sich gegen sie gerichtet hatten, waren zu stark für sie.
    »Hier, bitte, Mystere.«
    Ein dienstbeflissener Hush kam mit Brandy in einem Kognakschwenker zurück. Der niedergeschlagene Ausdruck auf seinem Gesicht berührte ihr Herz. Sie stellte das Glas auf einen Ständer neben sich und umarmte ihn fest.
    »Ich möchte, dass du dich an das erinnerst, worüber wir uns unterhalten haben«, sagte sie zu ihm. »Ein Junge mit einer soliden Ausbildung kann auch ein ehrliches Handwerk betreiben. Eines, das ihn stolz macht. Du bist ein intelligenter Junge mit einem wundervollen Herzen.«
    »Was stand in dem Brief, den er dir gezeigt hat?«
    »Das ist nicht wichtig. Versprichst du mir, dass du an deiner Bildung Weiterarbeiten wirst, was auch immer geschieht?«
    Er nickte.
    »Und versprich mir vor allem eines. Wenn ... Arger auf uns alle zukommen sollte, Ärger mit der Polizei - dann will ich, dass du den zuständigen Obrigkeiten die Wahrheit darüber erzählst, wie Paul dir Unterricht im Stehlen gegeben hat.«
    »Ärger?«, wiederholte er. »Wird uns irgendetwas passieren, Mystere?«
    »Vielleicht, aber was auch immer geschieht, du musst ehrlich und respektvoll zu den Obrigkeiten sein, und es wird dir nichts passieren. Versprichst du mir das?«
    Er nickte widerwillig. »Was ist mit dir? Wird auch dir nichts passieren?«
    »Ich hoffe es«, antwortete sie ehrlich. »Weißt du, wo sich der große Brunnen im Park befindet?«
    »Der Engel?«
    »Ja.«
    Er nickte.
    »Nachher werde ich dir etwas Geld geben, das du Mr. Perkins bringen sollst, dem Mann mit dem gewachsten Schnurrbart. Dem Mann, den du verfolgt hast.«
    Sie würde nun diesen Juwelierladen auf dem Broadway aufsuchen und ihre goldenen Lieblingsohrgehänge mit den großen schwarzen Perlen verkaufen müssen, die auf fünfzig Dollar geschätzt worden waren.
    »Diese beiden haben kein Recht, dich so zu behandeln«, beteuerte Hush wütend.
    »Egal«, sagte sie sanft zu ihm. »Es wird uns nichts geschehen, uns beiden nicht.«
    In Gedanken sah sie jedoch, wie Rafe Be l lochs attraktives Gesicht sie anklagte, und selbst der wärmenden Glut des Brandys gelang es nicht, die kalte Angst in ihrem Inneren zu unterdrücken.

18
    Der Vorsitzende Richter des Obersten Bundesgerichtes im Ruhestand James Addison und seine Frau Lizet verbrachten jeden Winter in ihrer Villa in Mexiko City. Sie kamen gegen Ende April nach Manhattan auf ihr Anwesen auf der oberen Sixth Avenue zurück. Ihr jährlicher Sommerball erfreute sich inzwischen großer Beliebtheit unter Mrs. Astors Auserwählten, zum Teil wohl deswegen, weil es unerlässlich geworden war, dass ausländische Würdenträger, die New York besuchten, daran teilnahmen. Die New Yorker wurden in den höheren Kreisen von Paris und London als geldgierig und ungehobelt verschrien, daher waren sie stets bestrebt, ihre kosmopolitische Seite unter Beweis zu stellen.
    Mystere waren dieser ganze Aufruhr und das Theater willkommen, denn es zog die

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