Diebin der Nacht
Herz schwer wie ein Stein.
»Lassen Sie mich gehen«, flehte sie ihn an und versuchte vergeblich, sich aus seinem Griff zu befreien. »Lassen Sie mich gehen!«
»Ich denke gar nicht daran«, sagte er trocken und klopfte dann an die Vorderwand der Kutsche. Im Galopp fuhren sie davon.
Er ließ sich auf dem Sitz ihr gegenüber nieder und musterte sie so gut es in der Dunkelheit ging.
Sie rutschte zur Tür hinüber, stand auf, um sie zu öffnen. Mit ihrer nachlassenden Kraft war sie jedoch nicht in der Lage dazu. Er stieß sie wieder auf Ihren Sitz zurück.
»Sie haben verdammtes Glück, dass ein Nordwind von Kanada herüberweht«, sagte er zu ihr. »Die Reporter waren alle schon gegangen. Diese kleine Szene wird also nicht in den Klatschblättern enden. Aber sie werden natürlich eine größere Geschichte haben, nicht wahr?«
Er wartete auf eine Antwort, sein Schweigen schien sie zu verspotten.
Sie weigerte sich, ihn auch nur anzusehen.
Ein starker, wenn auch behutsamer Griff zog ihre Hand von der Wunde weg. Er untersuchte sie kurz und verband sie dann mit einem Taschentuch aus seiner Jackentasche. »Das wird eine schöne kleine Narbe geben, Lady Moon l ight, aber ich bezweifle, dass Sie daran sterben werden. Die Kugel hat Ihren Arm nur gestreift.«
Er setzte sich zurück auf den gegenüberliegenden Sitz und beobachtete sie ein paar lange, qualvolle Minuten. »Was haben Sie gestohlen?«, fragte er freiheraus. »Ich vermute, dass Sie irgendwie an Antonias Smaragdring rangekommen sind.«
Sie sagte nichts. Es hatte keinen Sinn. Sie starrte ihn nur unglücklich an, während sie mit einer Hand ihren verbundenen Arm festhielt und mit der anderen Antonias wertvolles Seidentäschchen mit dem Smaragd.
Sein Mund verzerrte sich zu einem höhnischen Grinsen. »Sie haben schon eine Menge Dinge getan, Lady Moon- light, nicht wahr, das haben Sie doch? Ich hatte den Verdacht, dass Sie etwas versuchen würden. Stellen Sie sich nur meine Überraschung vor, als ich Sie draußen mit einer Pistole auf Sie gerichtet entdeckte. Nun schauen Sie sich nur an. Sie sind verwundet, und Sie sind gefangen. Schlimmer hätte es kaum kommen können, nicht wahr?«
»Lassen Sie mich gehen«, forderte sie, indem sie all ihren Mut zusammennahm.
»Sie gehen lassen?« Er brach plötzlich ab, als ob ihm eine Idee gekommen wäre. »Ich sage Ihnen was, ich stelle Sie vor die Wahl. Entweder, Sie kommen mit mir, um mit was auch immer konfrontiert zu werden, oder wir kehren zum Ball zurück, um mit ihnen konfrontiert zu werden. Vielleicht werde ich ja verkünden, dass alle Damen eine Bestandsaufnahme ihrer Wertsachen machen sollen. Was meinen Sie? Machen Sie Ihre Flucht bei mir wieder gut, oder gehen Sie lieber zu Inspektor Byrnes und dem trefflichen Gentleman, der Sie angeschossen hat?«
Die Ungeheuerlichkeit seines Angebotes traf sie mit vol- ler Kraft. Ihr vernichtendes Schweigen entlockte ihm ein weiteres Lachen.
»Genauso, wie ich es mir dachte.«
Sie hatte angefangen zu zittern, nicht vor Kälte oder durch den Schmerz in ihrem Arm, sondern vielmehr vor wahnsinniger Angst. Es gab nichts Schlimmeres, als sich dem Unbekannten stellen zu müssen, und bei Rafe Belloch war es unmöglich, einen Ausgang vorherzusagen.
Während er sie weiter beobachtete, zog er langsam seine Jacke aus und legte sie ihr über die Schultern.
»Nun«, sagte er mit selbstgefälliger Befriedigung, als er Antonias Tasche an sich nahm, »dann geben Sie mir mal Ihre Trophäe.«
Während sie sich ausgesprochen hilflos und verdammt f ühlte, sah sie ihm dabei zu, wie er den Verschluss von Antonias Täschchen öffnete und dessen Inhalt auf seinen Schoß fallen ließ. Er zog einen der Ledervorhänge beiseite, um die gespenstische Beleuchtung der Gaslate rn en auf der Straße hereindringen zu lassen.
Und dort, eingebettet zwischen einem Spitzentaschentuch und den kleinen Gastgeschenken, die den Frauen überreicht worden waren, lag das Objekt ihrer Begierde: der erstaunlich große, von Diamanten umrahmte Smaragdring. Selbst in gedämpftem Licht war sein durchschimmernder grüner Glanz noch atemberaubend.
»Nun sieh sich einer das an«, murmelte Rafe und verfiel in fast ehrfürchtiges Schweigen.
Er nahm den Ring hoch und studierte ihn, als wäre er nicht in der Lage, einen so riesigen und so kunstvoll geschliffenen Stein zu begreifen.
Dann schaute er auf und durchbohrte sie mit seinem Blick. »So. Unsere kleine Unschuld ist also tatsächlich aus der Art geschlagen, genau so,
Weitere Kostenlose Bücher