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Diener der Finsternis

Diener der Finsternis

Titel: Diener der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Wheatley
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versuchte er zu beten: »Vater unser, der du bist im Himmel, geheiligt – geheiligt – geheiligt …« Aber die Worte, die er so lange nicht mehr gebraucht hatte, fielen ihm nicht ein. Sein Körper wurde geschüttelt, als halte er die Pole einer starken elektrischen Batterie in den Händen. Sein linkes Knie wurde angezogen, der Fuß hob sich. Rex wollte die Arme heben, um sein Gesicht zu bedecken, doch sie blieben wie mit unsichtbaren Ketten beladen fest an seinen Seiten. Er wollte schreien, sich zurückwerfen – umsonst. Obwohl er seine ganze Willenskraft aufbot, wurde er von einer unwiderstehlichen Macht auf die schweigende, drohende Gestalt zugezogen. Beinahe, ohne es zu merken, tat er einen Schritt vorwärts.
    In dem zeitlosen Intervall von Sekunden, Tagen oder Wochen nach dem ersten Erscheinen des violetten Nebels stand de Richleau mit auf den Boden gerichteten Augen neben Rex. Er erlaubte sich nicht einmal nachzusehen, welche Gestalt die Materialisation angenommen hatte. Die plötzliche Todeskälte, das Verlöschen der Lampen und der unerträgliche Gestank hatten ihm genug gesagt.
    Er verfluchte seine Tollkühnheit, mit der er das Haus betreten hatte, ohne die für ihren Schutz notwendigen Vorbereitungen zu treffen. Da es viele Jahre her war, seit er sich mit okkulten Dingen beschäftigt hatte, hatte er in seiner Angst um Simon die Gefahr unterschätzt. Und dazu hatte er noch Rex, dessen Unwissenheit und Skeptizismus ihn doppelt verwundbar machten, erlaubt, mit ihm zu kommen. Vermutlich hatte Rex trotz aller Warnungen seine Augen genau auf das Ding da gerichtet. Der Gedanke trieb ihm Ströme von Schweiß auf die Stirn.
    Der Herzog fühlte mehr, als er es sah, daß Rex sich bewegte. Mit zitternden Lippen murmelte er Sätze auf persisch, griechisch und hebräisch, an die er sich nur noch halb erinnerte. Es waren dringende Anrufe an die Macht des Lichtes, Bitten um Schutz und Hilfe. Beinahe sofort schoß ihm durch den Kopf, daß er das Hakenkreuz, als Max es ihm reichte, in die Westentasche gesteckt hatte. Das war die Antwort auf sein Gebet. Seine Finger schlossen sich um das Schmuckstück. Sein Arm schoß nach vorn. Gold und Juwelen glitzerten eine Sekunde lang in dem violetten Licht, dann kamen sie inmitten des Kreises zur Ruhe.
    Ein durchdringender Schrei voller Wut, Furcht und Schmerz wie der eines Tieres, das mit einem weißglühenden Eisen gebrannt wird, zerriß die Stille. Die Lichter flackerten, gingen mehrmals an und aus, als ob zwei starke Kräfte miteinander ringen würden. Der eisige Wind erstarb.
    Noch während der Schrei von den Wänden widerhallte, ergriff de Richleau Rex beim Arm und zerrte ihn auf die Tür zu. Gleich darauf rannten beide in panischem Schrecken die Treppe hinunter.
    Auf dem letzten Absatz stolperte Rex und rutschte rücklings über die Stufen. Der Herzog sprang über sechs Stufen auf einmal und fiel neben ihm nieder. Sie rafften sich auf, rannten durch die Bibliothek, durch die Fenstertür in den Garten und über den Rasen.
    Mit letzter Kraft erkletterten sie den Goldregenbaum und ließen sich auf die andere Seite der Mauer fallen. Erst als eine ganze Straße zwischen ihnen und der Sackgasse lag, blieben sie nach Atem ringend unter dem freundlichen Licht einer Straßenlaterne stehen.
    Rex merkte, daß sein Kragen schweißdurchtränkt war, aber er erholte sich schneller als der Herzog, der sich solche körperlichen Anstrengungen seit Jahren nicht mehr zugemutet hatte.
    »Gott! Was für ein Glück, daß wir da raus sind!« stieß Rex hervor.
    Der Herzog, unfähig zu sprechen, nickte.
    »Ich nehme jedes Wort zurück, das ich gesagt habe«, fuhr Rex hastig fort. »Noch nie in meinem Leben habe ich vor etwas richtig Angst gehabt. Aber das eben war grauenvoll.«
    Freundschaftlich zog der Herzog Rex’ Arm durch den seinen. Er war weit davon entfernt zu bemerken: »Das habe ich dir doch gleich gesagt.« Ganz im Gegenteil, es tat ihm leid, daß er Rex’ Skeptizismus mit Ungeduld begegnet war. Nun, da Rex Zeuge einer satanischen Manifestation geworden war, würde seine Unterstützung zehnmal soviel wert sein.
    Sie hielten ein spätes Taxi an und kehrten in die Curzon Street zurück. Unterwegs fragte de Richleau Rex über die Gestalt aus, die das Ding angenommen hatte. Dann nickte er. »Zweifellos war es der Malagasse, Mocatas schwarzer Diener. Vielleicht ist er selbst ein Hexendoktor des Voodoo, und doch frage ich mich …« Der Herzog brach ab, weil das Taxi gerade vor seinem Haus

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