Diener der Finsternis
vorfuhr.
Es war kurz nach drei. Beiden kam es vor, als sei es eine Ewigkeit her, daß sie sich zum Dinner gesetzt hatten. In der großen Bibliothek schürte Rex das Feuer wieder an, während der Herzog Drinks mixte und die Platte mit Sandwiches aufdeckte, die Max für sie hingestellt hatte. Sie ließen sich in Sessel sinken und setzten ihre Diskussion fort. Zu Bett gehen konnten sie noch nicht. Die Gefahr, in der Simon sich befand, war viel zu groß.
»Du sagtest, er könne ein malagassischer Hexendoktor sein«, begann Rex. »Ich habe jedoch einmal gelesen, daß diese Kerle keine Macht über Weiße haben.«
»Im allgemeinen stimmt das schon, weil die Menschen unterschiedlicher Kulturen verschiedene Schwingungen haben und die Art der Schwingung sehr von dem Ort der Geburt abhängt. Aber es gibt Ausnahmen, und ein Meister, der einen der höchsten Grade erlangt hat – ein Ipsissimus, ein Magus oder ein Magister Templi –, kann jedem unter ihm stehenden Menschen seinen Willen aufzwingen, falls dieser nicht durch eine ebenso starke Macht geschützt ist. Mocatas Verbündeter mag einer der großen Adepten des Pfades zur Linken sein. Allerdings frage ich mich, ob er überhaupt ein menschliches Wesen ist.«
»Du hast ihn doch aber neulich in Simons Haus gesehen.«
»Ich dachte, ich hätte ihn gesehen. Deshalb kam ich zuerst auf den Gedanken, das Ding, das in dem Pentagramm materialisierte, könne sein Astralleib gewesen sein, abgeschickt von Mocata, um uns daran zu hindern, im Observatorium herumzustöbern. Vielleicht ist es aber auch ein körperloses Wesen, eine satanische Macht, die nicht von Mocata regiert wird, der er aber durch seine Beschwörungen einen Zugang zu unserer Welt geöffnet hat.«
»O Gott!« stöhnte Rex. »Für mich hört sich das alles so unmöglich, so absolut phantastisch an! Trotzdem darfst du nicht denken, daß ich noch irgendwelche Zweifel habe. Ob es nun ein Astralleib war oder das, was du meinst, ich habe ihn jedenfalls ganz deutlich gesehen, und ich kann beschwören, daß es kein Trick war. Das Ding war so böse, daß ich glaubte, sein Blick würde mir das Gehirn ausbrennen. Und der arme Simon steckt mittendrin in dieser Sache. Was sollen wir nur tun?«
De Richleau setzte sich plötzlich gerade hin. »Ich wünschte bei Gott, ich wüßte, was hinter der ganzen Sache steckt. Es muß sich um etwas äußerst Wichtiges handeln. Wir müssen Simon finden und vor diesen Leuten in Sicherheit bringen.«
»Aber wie? Simon hat keinen Vater mehr, seine Mutter lebt im Ausland. Im Gegensatz zu den meisten anderen Juden hat er keinen Haufen von Verwandten, die wir befragen könnten.«
»Höchstwahrscheinlich befindet er sich bei Mocata. Aber ich weiß nicht, wie wir den aufspüren sollen. Wenn wir nur die Adresse von einer der Personen hätten, die heute abend da waren, dann könnten wir …«
»Ich hab’s!« Rex sprang auf. »Wir werden ihn über Tanith finden!«
VII
»Woher weißt du denn, wo Tanith ist?« fragte der Herzog.
Rex lachte. »Ich habe sie gefragt, wo sie hier wohnt, und da sie zu der Zeit noch nicht wußte, daß wir nicht zu der Bande gehören, hat sie es mir gesagt. Sie ist im Claridges abgestiegen.«
»Meinst du, sie läßt jetzt noch mit sich reden?«
»Das schaffe ich schon.«
»Rex, du mußt vorsichtig sein. Diese Frau ist sehr schön, ich weiß. Aber sie ist wahrscheinlich auch verdammt gefährlich.«
»Ich habe noch nie in meinem Leben vor einer Frau Angst gehabt. Und am hellichten Tag können diese Leute mir nicht viel antun, nicht wahr?«
»Nein. Zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang haben sie gewöhnlich nicht mehr Macht als normale Menschen.«
»Gut. Dann werde ich gleich morgen – das heißt, heute – ins Claridges gehen, sobald sie wahrscheinlich aufgestanden sein wird.«
»Du weißt aber ihren richtigen Namen nicht.«
»Das macht nichts. Zwei solche Mädchen wird es im Claridges nicht geben – nicht einmal in ganz London.«
Der Herzog überlegte. »Glaubst du, du kannst sie überreden, mit dir nach Pangbourne zu kommen?«
»In dein Haus an der Themse?«
»Ja. Ich bin dies Jahr noch nicht dort gewesen, aber ich werde Max frühmorgens hinschicken, damit er lüftet und alles in Ordnung bringt.«
»Hm, es wird ziemlich merkwürdig wirken, wenn ich ein Mädchen gleich beim ersten Wiedersehen zu einer Bootsfahrt einlade. Kannst du nicht mitkommen und mir helfen?«
»Nein. Ich werde den größten Teil des Tages im Britischen Museum zubringen.
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