Diener der Finsternis
der Bibliothek bleiben. Geben Sie Ihren Dienstboten einen hinreichenden Grund dafür an, daß Sie nicht gestört werden wollen.
Schließlich wird mein Freund Simon Aron zwecks Fortführung der von uns begonnenen Experimente zu mir zurückkehren. Er wird das Haus mittags allein verlassen und zu Fuß bis an den anderthalb Meilen südwestlich von Cardinals Folly gelegenen Kreuzweg gehen. Dort werde ich ihn abholen lassen. Er muß sich verpflichten, mir heute abend bei dem Ritual, das zur Entdeckung des Talismans des Seth notwendig ist, volle Unterstützung zu gewähren.
Wenn von diesen Anweisungen auch nur im geringsten abgewichen wird, werde ich die schon erwähnte Vergeltungsmaßnahme ergreifen. Führen Sie jedoch alles zu meiner Zufriedenheit aus, wird Simon Aron körperlich und geistig gesund zu Ihnen zurückkehren, und Sie werden das Kind ebenso unschuldig und glücklich wiedererhalten, wie es gestern war.
Marie Lou hatte über de Richleaus Schulter mitgelesen. »Oh, was sollen wir tun?« schluchzte sie. »Grauauge, was sollen wir tun?«
»Gott weiß es«, murmelte der Herzog unglücklich. »Mocata hat jetzt die Oberhand. Das Teuflische an der Sache ist, daß ich seinem Versprechen, das Kind zurückzugeben, nicht traue, selbst wenn Simon bereit wäre, sich selbst zu opfern.«
In diesem Augenblick kletterte Simon ins Fenster.
»Wir haben das ganze Grundstück abgesucht, aber bei diesem dichten Nebel sieht man kaum die Hand vor Augen. Mittlerweile ist er weit genug weg.«
»Das habe ich befürchtet.« Das Elend überwältigte den Herzog von neuem, als auch Richard ins Zimmer stieg.
»Keine Spur«, stellte er mit heiserer Stimme fest. »Keine Fußabdrücke, nicht einmal auf den Blumenbeeten.«
Als letzter tauchte Rex auf. »Dieser Nebel!« rief er wütend. »Ein Dutzend Kerle könnte sich im Garten umhertreiben, ohne daß man sie sehen würde. Es muß doch schon Tag sein?«
Simon sah auf die Uhr. »Halb sechs.«
Der Herzog reichte Richard Mocatas Brief. »Lies ihn unten«, riet er. »Im Augenblick hilft er uns nicht, und wir haben noch eine Menge zu erledigen, bevor die Dienstboten aufstehen.«
»Großer Gott, Mann! Ich werde sie sofort wecken. Wir brauchen ihre Hilfe!«
»Nein. Bitte, schreib Malin einen Zettel, daß unsere Experimente noch andauern und wir den ganzen Tag in diesem Flügel des Hauses ungestört sein wollen. Ich werde währenddessen das Telefon wieder anschließen und versuchen, ob ich im Wirtshaus etwas erfahren kann.«
»Du bist verrückt, wenn du glaubst, daß ich daumendrehend hier sitze, während Fleur in Gefahr ist!« schrie Richard.
Der Herzog schüttelte den Kopf. »Denk daran, daß Taniths Leiche immer noch in der Bibliothek liegt. Dort muß sie vorläufig auch bleiben, und das allein ist ein ausreichender Grund, das Personal fernzuhalten. Lies den Brief und besprich ihn mit Marie Lou. – Rex, geh mit Simon in die Küche und hol zu essen, was ihr auftreiben könnt. Wir sind alle halb verhungert, und der Nutzen des Fastens hat selbst bei einer solchen Angelegenheit seine Grenzen.«
Für den Augenblick gab Richard nach. Er ging mit Marie Lou, die das Geschehene immer noch nicht fassen konnte, in die Bibliothek und las mit ihr Mocatas Brief.
Erst danach brach Marie Lou in Tränen aus. Richard hielt sie in den Armen und versuchte, sie zu trösten.
»Marie Lou, mein Engel«, flüsterte er. »Ihr kann bis jetzt nichts geschehen sein, und bis heute abend wird ihr auch nichts geschehen. Und selbst dann wird Mocata es sich zweimal überlegen, ob er seine Drohung ausführt. Nur ein Dummkopf tötet eine Geisel. Wenn wir unsere Karten richtig ausspielen, werden wir Fleur bald wieder zurückbekommen.«
»Aber was sollen wir tun, Richard? Was sollen wir tun?« Aus tränenüberströmten Augen sah sie ihn an.
»Wir werden ihn verfolgen, wenn die anderen zurück sind«, erklärte Richard. »Er ist auch nur ein Mensch, nicht wahr? Um in das Kinderzimmer zu gelangen, mußte er eine Leiter benutzen. Wenn wir sofort handeln, wird er vor dem Dunkelwerden hinter Schloß und Riegel sitzen.«
Als der Herzog, Rex und Simon sich wieder zu ihnen gesellten, entbrannte eine heftige Diskussion. Richard blieb dabei, das einzig Richtige sei, die Polizei zu benachrichtigen. De Richleau war dafür, vorläufig – wenn auch mit gewissen Einschränkungen – Mocatas Befehlen zu gehorchen. Simon bestätigte, daß Mocata imstande war, in einem Spiegel ihre Bewegungen zu verfolgen. Marie Lou schwieg.
Endlich
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