Diener der Finsternis
christlichen Kindes?«
»Ja. Das alte Gesetz lautet ›Eine Seele für eine Seele‹. Die Seele eines getauften Kindes wird im Austausch für die meine angenommen werden. Wenn dann mein Körper noch unbeschädigt ist, muß ich zu ihm zurückkehren.«
»Was sind …«
Der Herzog konnte seine letzte Frage nicht vollenden. Rex ertrug es nicht mehr länger. Er wußte nicht, daß der Herzog nur mit Taniths Astralleib sprach und glaubte, der Leichnam sei, wenn auch bloß vorübergehend, wieder zum Leben erweckt worden.
»Tanith!« rief er, brach den Kreis und fuhr herum. »Tanith!«
Im Bruchteil einer Sekunde war die Vision verschwunden. De Richleau sprang auf die Füße. Aus seinen Augen flammte der Zorn.
»Du Narr!« donnerte er. Sie standen sich im grauen Morgenlicht gegenüber und waren bereit, sich gegenseitig die bittersten Vorwürfe zu machen, als die ganze Gesellschaft vor Schrecken erstarrte.
Von oben drang ein schriller Schrei in die weihrauchgeladene Atmosphäre.
»Das ist Fleur!« keuchte Marie Lou. »Mein Schatz, was hast du?«
Sie stürzte auf die Tür im Bücherregal zu, aber Richard erreichte sie noch vor ihr. Wertvolle Sekunden gingen verloren, weil er sie mit seinen zitternden Händen nicht gleich öffnen konnte. Dann rannten alle die Treppe hinauf und in das Kinderzimmer.
Das Fenster stand weit offen. Draußen war alles in grauen Nebel getaucht. Das Bett war, wo der kleine Körper gelegen hatte, noch warm. Aber Fleur war verschwunden.
XXVIII
»Hier sind sie hinaus!« rief Rex. »Am Fenster steht eine Leiter!«
»Dann um Gottes willen hinterher!« Richard eilte durch das Zimmer. »Wenn die verdammte Tür nicht geklemmt hätte, hätten wir sie noch erwischt. Sie können nicht weit sein.«
Rex war bereits auf der Terrasse unterhalb des Fensters, Simon stieg die Leiter hinab, und Richard kletterte über das Fensterbrett.
Marie Lou und de Richleau blieben allein im Kinderzimmer zurück. Mit großen, tränenlosen Augen, überwältigt von diesem neuen Unheil, starrte sie ihn an. Der Herzog war zutiefst erschüttert, daß er dieses Entsetzen über seine Freunde gebracht hatte. Er wünschte verzweifelt, sie zu trösten und zu beruhigen, und wußte doch, daß nichts, was er sagen konnte, der Lage gerecht werden würde. Der Gedanke, daß dieses Kind von den Satanisten entführt worden war, um bei einem gräßlichen Ritual geopfert zu werden, war unerträglich.
»Prinzessin«, stammelte er. »Prinzessin.« Mehr brachte er nicht hervor.
Marie Lou stand bewegungslos da. Ihre Verzweiflung war sogroß, daß sie nicht mehr zusammenhängend denken konnte.
Mit äußerster Willensanstrengung nahm de Richleau sich zusammen. Er wußte, er hatte jeden Vorwurf verdient, den Richard und Marie Lou ihm machen konnten, weil er ihr Haus als Refugium benutzt und behauptet hatte, es könne ihnen kein Leid geschehen, wenn sie nur seinen Anweisungen gehorchten. Doch jetzt mußte sofort gehandelt werden.
Der Herzog schaltete alle Lichter an und sah sich im Zimmer um. Beinahe sofort entdeckte er am Fußende von Fleurs Bettchen ein Stück Papier. Es war mit Maschinenschrift bedeckt. Er nahm es auf und las.
Bitte machen Sie sich keine Sorgen um das kleine Mädchen. Es wird Ihnen morgen zurückgegeben werden, wenn Sie folgende Bedingungen erfüllen:
In diesem außergewöhnlichen Fall habe ich zu Mitteln greifen müssen, die mich mit dem Gesetz in Konflikt bringen. Zweifellos wird einer von Ihnen vorschlagen, die Polizei zu rufen, um das Kind aufzuspüren. Daran dürfen Sie nicht einmal denken. Sie haben mittlerweile erfahren, daß ich mich über alles, was Sie tun, zu informieren weiß. Falls Sie meinem Befehl nicht gehorchen, werden Sie das Kind nicht lebend wiedersehen.
Mein Versagen in der letzten Nacht ist bedauerlich, weil es den Tod einer jungen Trau verursacht hat, die ich erst kürzlich als außergewöhnliches Medium entdeckt habe und auch in Zukunft als solches benutzen will. Während ich schlief, hat Mr. van Ryn den Körper entfernt. Er befindet sich jetzt in Ihrem Haus. Lassen Sie die Leiche in Ihrer Bibliothek liegen, bis Sie weitere Anweisungen erhalten, und unternehmen Sie keinerlei Schritte, um eine Totenschau oder eine Beerdigung zu veranlassen. Wenn Sie diesem Befehl nicht gehorchen, werde ich gewisse, mir zur Verfügung stehende Wesenheiten bestimmen, den Körper in Besitz zu nehmen. Monsieur le Duc de Richleau wird Ihnen hierüber Auskunft geben können.
Sie alle werden den ganzen Tag in
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