Diener der Finsternis
Ding griff Fleur an. Mit einem Angstschrei erwachte sie.
Die Wirklichkeit war wenig besser als der Alptraum. Alle Möbel fehlten, der Raum lag des Nebels wegen im Halbdunkeln, und mitten auf dem Fußboden erkannte sie Taniths toten Körper.
Die Männer waren aufgesprungen. De Richleau schaltete das Licht ein. Sie blinzelten sich schläfrig an. Dann fielen ihre Blicke auf die Stelle, wo Simon gelegen hatte.
Er war fort. Während sie schliefen, war ihr Freund in diese scheußliche, unnatürliche Nacht hinausgegangen, um seine unheilvolle Verabredung einzuhalten.
XXIX
Rex war es, der die Kreideschrift auf dem Fußboden bemerkte. Simon hatte weder Papier noch Bleistift zur Hand gehabt und ihnen deshalb auf diese Weise folgende Botschaft hinterlassen:
»Bitte, regt Euch nicht auf und versucht nicht, mir nachzukommen. Tut, was Mocata befohlen hat. Gehe zum Treffpunkt. Halte das für die einzige Chance, Fleur zu retten. In Liebe – Simon.«
»Zum Teufel!« rief Rex. »Dieses heroische Schaf hat meine gute Idee zunichte gemacht. Mocata hat jetzt, abgesehen davon, daß er Tanith getötet hat, Simon und Fleur. Wenn ihr mich fragt, wir sind völlig am Ende.«
De Richleau stöhnte. »So etwas sieht ihm ähnlich. Wir hätten es uns denken können.«
»Da hast du recht«, stimmte Richard traurig zu. »Ich kenne ihn viel länger als ihr, und ich hätte wissen müssen, daß er sich opfern würde.«
»Glaubt ihr, es stimmt, was der arme Simon meint – daß seine Selbstaufgabe für uns von Nutzen sein wird?« flüsterte Marie Lou.
»Absolut nicht«, antwortete Richard niedergeschlagen. »In seinem Eifer, uns zu helfen, hat er Mocata unsere einzige Trumpfkarte in die Hände gespielt. Wir haben kostbare Zeit vergeudet und sind schlimmer dran als vorher. Ich werde meine ursprüngliche Absicht ausführen und die Polizei benachrichtigen.«
»Das würde ich nicht tun.« Rex faßte ihn am Arm. »Dann geht mit langen Befragungen nur noch mehr Zeit verloren. Unser einziger Vorteil ist, daß Mocata sich jetzt in Sicherheit wiegt. Wir sollten uns auf der Stelle selbst an seine Verfolgung machen.«
Marie Lou erschauerte. Dann nickte sie. »Rex hat recht. Vermutlich denkt Mocata nicht mehr daran, uns zu beobachten. Aber wie sollen wir ihn finden?«
»In Paris«, schaltete sich der Herzog ein. »Ihr wißt doch, daß Tanith uns sagte, er würde dort heute abend mit dem Mann sprechen, der ein verstümmeltes Ohr hat. Das ist Castelnau, der Bankier.«
»Und wie willst du nach Paris kommen?« fragte der praktische Rex.
»Mit dem Flugzeug natürlich. Offenbar benutzt auch Mocata den Luftweg, sonst könnte er nicht schon heute abend dort sein. Richard muß uns in seiner viersitzigen Maschine hinfliegen. Da Mocata erst mit dem Auto zum Flughafen fahren muß, werden wir noch vor ihm in Paris eintreffen. Ist dein Flugzeug startklar, Richard?«
»Ja. Es befindet sich im Hangar unten auf der Wiese. Dieser Nebel gefällt mir nicht recht, aber wahrscheinlich wird es sich nur um Bodennebel handeln.«
»Dann los!« rief Rex ungeduldig. »Zieht euch schnell warm an!«
Rex trug einen Straßenanzug, aber die übrigen hatten immer noch ihre Pyjamas an. Richard stattete die Männer aus, so gut er konnte. In Breeches und ihrem ledernen Fliegermantel gesellte sich Marie Lou wenig später zu ihnen.
In der Bibliothek nahmen sie noch schnell einen kleinen Imbiß zu sich. Dann wurde die Tür abgeschlossen. Rex warf einen letzten Blick auf Taniths Körper, der sich nicht verändert hatte.
Richard und Rex schoben das Flugzeug aus dem Hangar. Der Herzog und Marie Lou stiegen ein. Rex, der sich mit Flugzeugen gut auskannte, warf den Propeller an.
Langsam rollte die Maschine in dem dichten Nebel vorwärts. Die Hecken und Bäume waren nicht zu erkennen, aber Richard kannte das Grundstück so gut, daß er Richtung und Entfernung abschätzen konnte. Das Flugzeug hob von der langen Wiese ab.
In wenigen Augenblicken hatten sie den Bodennebel unter sich gelassen und sahen den blauen Himmel. De Richleau blickte nach unten und bemerkte etwas sehr Seltsames. Der Nebel beschränkte sich allein auf Cardinals Folly. In seiner Mitte ragten wie aus einem grauen See die Schornsteine des Hauses empor. Der Garten und die Wiesen, die das Herrenhaus vom Dorf trennten, waren zugedeckt, und unmittelbar dahinter lag alles in hellem Sonnenschein.
Rex saß neben Richard im Cockpit. Er hatte die Aufgabe des Navigators übernommen und beschäftigte sich eifrig mit
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