Diener der Finsternis
erklärte der Herzog: »Richard, wir müssen dir und Marie Lou die Entscheidung überlassen. Auch für mich ist es ein schrecklicher Gedanke, daß wir stundenlang hier herumsitzen sollen, ohne etwas zu unternehmen. Ich fürchte nur das Risiko für Fleur.«
»Das weiß ich«, antwortete Richard. »Ich bin jedoch davon überzeugt, unsere einzige Chance, sie lebend wiederzusehen, ist, daß wir die Polizei rufen und darauf vertrauen, daß sie Mocata im Laufe des Tages festnimmt.«
»Das würde ich nicht tun, Richard.« Simon schüttelte den Kopf. »Ich kenne den Mann. Er ist ohne jedes Gefühl für Mitleid oder Gnade. Du unterschreibst Fleurs Todesurteil, wenn du ihn auf diese Weise angreifst.«
Marie Lou wurde zwischen den verschiedenen Standpunkten hin- und hergerissen. Simon hatte recht, aber Richard hatte auch recht, denn es war gut möglich, daß Mocata, wenn er Simon erst einmal hatte, Fleur trotzdem für das gräßliche Opfer behalten würde, von dem Taniths Geist ihnen berichtet hatte. Diese Gedanken wirbelten in ihrem schmerzenden Kopf.
»Wie sollen wir uns entscheiden, meine Liebste?« fragte Richard.
Marie Lou rang verzweifelt die Hände. Ihr Blick fiel auf Rex, dessen Augen in hoffnungsloser Qual auf das Gesicht der toten Tanith gerichtet waren.
»Rex«, stieß Marie Lou hervor, »du hast noch nicht gesagt, was du meinst. Mir scheinen beide Alternativen gleich fürchterlich zu sein. Welchen Rat gibst du uns?«
Rex sah auf. »Es ist sehr schwierig, und ich versuchte gerade, zu einem Schluß zu kommen. Ich hasse den Gedanken, nichts zu tun und nur abzuwarten. Lieber würde ich mich selbst mit einem Revolver hinter Mocata hermachen. Aber Simon ist überzeugt davon, daß ein solches Vorgehen Fleur in Gefahr bringen würde, und der Herzog glaubt das auch. Nun kennen diese beiden Mocata, und Richard kennt ihn nicht. Wir werden uns ihrer Ansicht anschließen müssen.
Wenn wir ruhig in der Bibliothek bleiben, vergrößern wir wenigstens das Risiko für Fleur nicht. Weiter sollten wir Mocata jedoch nicht entgegenkommen. Wir alle wissen, daß Simon bereit ist, sich zu opfern. Wir dürfen ihn aber nicht gehen lassen. Das wird Mocata in Verlegenheit bringen. Fleur kann er nichts tun, solange er Simon nicht hat. Also muß er den nächsten Zug tun, und das könnte uns die Gelegenheit geben, den Spieß umzukehren.«
De Richleau lächelte seit langer Zeit zum ersten Mal. »Mein Freund, ich gratuliere dir. Ich glaube, ich werde alt, sonst hätte ich selbst auf den Gedanken kommen müssen. Das ist bei weitem das Vernünftigste, was bisher vorgeschlagen worden ist.«
Marie Lou ging zu Rex hinüber und küßte ihn auf die Wange. »Rex, Darling, Gott segne dich. Wir haben in unserm Leid das deine ganz vergessen, und du hast für uns einen Weg gefunden.«
Rex verzog einen Mundwinkel. »Wenigstens gibt es uns Zeit, und du mußt versuchen, dich mit dem Gedanken zu trösten, daß die Zeit und die guten Mächte auf unserer Seite sind.«
Sogar Richard erklärte sich mit Rex’ Vorschlag einverstanden. Er hatte bisher nichts gegessen. Jetzt machte er sich ein paar Sandwiches zurecht und überredete auch Marie Lou, etwas zu sich zu nehmen.
»Ich werde uns Kissen holen«, bot Simon an. »Vermutlich besteht jetzt keine Gefahr mehr, wenn man benutzte Gegenstände in die Bibliothek bringt?«
»Nein. Hol nur alles herein. Wir werden uns auf dem Fußboden Betten herrichten.«
Simon, Richard und Rex gingen hinaus und kehrten kurze Zeit später mit Haufen von Kissen und Teppichen zurück. Das Feuer wurde neu angefacht, und dann richtete man fünf Ruhestätten her. Alle legten sich hin.
Mittlerweile war es Tag geworden, aber das fiel kaum auf, denn der Nebel wurde immer dichter.
Keiner von ihnen glaubte schlafen zu können. Rex sorgte sich um Tanith, die Mocata für sich zurückgewinnen wollte. Alle hatten Angst um Fleur. Marie Lou weinte immer wieder leise in Richards Armen. Aber die Anstrengungen der grauenvollen Nacht und die emotionale Erschöpfung machten sich bemerkbar. Marie Lous Weinen verstummte. Richard fiel in einen unruhigen Schlummer. De Richleau und Rex waren fest eingeschlafen.
Stunden später träumte Marie Lou, sie sitze in einer altertümlichen Bibliothek und lese ein großes, altmodisches Buch. Der Einband war weich und haarig wie ein Wolfsfell. Sie trug, während sie las, einen eisernen Ring um den Kopf. Dann wechselte die Szene. Sie befand sich wieder in dem Pentagramm, und das widerwärtige, sackähnliche
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