Diener des Boesen
Neville im Savoy Palace zurückbleiben müssen.
Gütiger Himmel, er würde seinen rechten Arm dafür geben, um zu erfahren, was in diesem Augenblick in Westminster geschah.
Richard würde vor das Parlament treten und ihm seine Forderung nach einer neuen Kopfsteuer vorlegen, um damit – wie er behauptete – einen weiteren Feldzug nach Frankreich zu finanzieren. Es wird der letzte Feldzug sein, würde er wahrscheinlich sagen, denn bis Dezember werden wir Frankreich in die Knie gezwungen haben!
Doch Neville wusste, dass das Parlament seine Begründung nicht ohne weiteres hinnehmen würde. Viele argwöhnten bereits, dass Richard die Steuer in Wirklichkeit erheben wollte, um damit einen Feldzug nach Irland zu finanzieren, um die Iren zu zwingen, de Vere als ihren König anzuerkennen.
Richard würde es nicht leicht haben… und wenn es nach Gloucester ging, würde sein Anliegen gänzlich scheitern.
Neville nahm sich einen weiteren Bericht vor und öffnete ihn. Sein Blick glitt gedankenverloren über die eng beschriebene Seite. Gloucester würde sich gegen die Steuer aussprechen, um de Veres Einfluss bei Hofe zu schwächen, und wollte auch andere Edelleute für seinen Standpunkt gewinnen. Neville wusste, dass sich Lancaster, Raby und Bolingbroke bis tief in die Nacht hinein mit Gloucester darüber besprochen hatten, was bei der Parlamentssitzung gesagt und getan werden durfte. Sie stimmten Gloucester zwar durchaus zu, doch hielten sie es für höchst leichtsinnig, Richard im Parlament direkt anzugreifen.
Gloucester setzte jedoch Vertrauen in die Macht des Parlaments und den Einfluss der dort versammelten Adligen. Das Parlament hatte sich schon oft erfolgreich gegen einen König gestellt. Vielleicht würde es dies jetzt wieder tun.
Die Frage ist jedoch, dachte Neville, während er zum zehnten Mal das Pergament vor ihm glättete, wer von den Adligen zu den Dämonen gehört und wer ein gewöhnlicher, gottesfürchtiger Sterblicher ist.
Der Tag verging quälend langsam und erst, als die Glocken zur Vesper läuteten, während Neville gerade eine interessant aussehende Schatulle unter dem Tisch hervorholte, die er bislang noch nicht geöffnet hatte, hörte er im Hof das Getrappel von Pferdehufen. Die Schatulle war vergessen, und Neville stand so hastig von seinem Schreibpult auf, dass mehrere Schriftstücke zu Boden fielen. Margaret und Rosalind hatten schon vor einiger Zeit den Raum verlassen – Margaret wollte Mary Gesellschaft leisten, und Rosalind sollte von Agnes ins Bett gebracht werden –, und die drei Schreiber hatten sich ebenfalls verabschiedet. Courtenay war der Einzige, der noch bei ihm geblieben war.
Als Neville nun auf den Gang hinaustrat, folgte Courtenay ihm auf dem Fuß.
Auf dem Hof drängten sich unzählige Pferde – deutlich mehr Männer waren in den Savoy Palace zurückgekehrt, als ihn am Morgen verlassen hatten. Abgesehen von Lancaster mit seinem Gefolge erkannte Neville Warwick und Arundel, beide hochrangige Adlige, die sich vor drei Monaten im Vorratsraum des Savoy Palace mit Lancaster getroffen hatten. Doch da waren auch noch andere, die Neville nicht kannte – viele dem Aussehen nach Edelleute, andere Gefolgsleute.
In diesem Moment entdeckte Neville seinen Onkel. Er bahnte sich einen Weg durch die Männer und Pferde und packte Raby am Ärmel.
»Onkel! Was ist passiert?«
Raby drehte sich zu ihm um, und Neville schrak angesichts von Rabys erschöpfter Miene zusammen.
»Gloucester hat sein Anliegen vorgetragen«, sagte Raby ohne Umschweife. »Viele der Edelleute haben ihm Gehör geschenkt. Die Parlamentssitzung wurde vertagt, um über die Kopfsteuer zu beraten, aber es scheint darauf hinauszulaufen, dass das Parlament ihr nicht zustimmen wird. Richard… Richard ist wütend.«
Das glaubte Neville gern. »Was wird…«, begann er, doch weiter kam er nicht.
Raby hatte sich umgedreht und rief durch die Menge zu Gloucester hinüber: »Mein Lord! Mein Lord! Hierher!«
Und Neville wurde plötzlich klar, was der Menschenauflauf zu bedeuten hatte. Richard war so wütend, dass alle um Gloucesters Leben fürchteten. Wie es aussah, wollten Raby und die anderen Gloucester so schnell wie möglich aus London fortschaffen. Daher die Menschenmenge. In der Menge war Gloucester sicherer.
Doch was immer sie vorhatten, Gloucester wollte sich offenbar nicht darauf einlassen. Lancaster und Arundel hatten sich schützend an seine Seite gestellt, aber Gloucester weigerte sich, ihrem Rat zu folgen und
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