Diener des Boesen
nicht verkneifen, wenn er die arabischen Zahlen benutzte. Der dominikanische Orden, dem er einst angehört hatte, hatte seit Jahrzehnten gegen die Einführung der Null gewettert, mit der Begründung, dass es sich dabei um das Zeichen Satans handelte, das das »Nichts« darstellte. Bolingbroke hatte jedoch nur gelacht, als Neville ihn daran erinnert hatte, und erwidert, dass die Kirche nur deshalb gegen die arabischen Ziffern sei, weil die Geistlichen nicht zugeben wollten, dass die Ungläubigen ein besseres und einfacheres Zahlensystem besaßen. Bolingbroke zog sogar in Erwägung, das neue Zahlensystem innerhalb seines Hauses auch für die Zeitrechnung zu verwenden, und damit würde sich Neville nur schwer abfinden können. Zugegeben, die Zeit mithilfe der sich ständig wandelnden Feiertage des christlichen Jahreszyklus zu berechnen, war umständlich, aber es war ein althergebrachter und schöner Brauch, den man Nevilles Ansicht nach nicht durch kalte, herzlose Zahlen ersetzen sollte.
Doch an diesem Tag hatte er keine Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, ob die Tage mit Zahlen oder den Namen von Heiligen bezeichnet werden sollten. Er musste sich um andere Dinge kümmern: Bolingbroke war ein äußerst großzügiger Mäzen der Wissenschaft, und Nevilles Aufgabe war es auch, die Haushaltskosten mehrerer Gelehrter an den Colleges von Oxford, eines Mathematikers an einer flämischen Akademie und zweier etwas exzentrischer Londoner Uhrmacher, die zugleich Astrologen und Schiffsnavigatoren waren, zu berechnen, die von Bolingbroke Unterstützung erhielten.
Neville seufzte und legte den Bericht eines der verrückten Uhrmacher beiseite, der behauptete, mithilfe eines mechanischen Apparats, mit dem sich Länge und Breite ermitteln ließen, den Ozean westwärts überqueren zu können. Neville hielt das ganze Unterfangen für reichlich abenteuerlich – beinahe so aberwitzig wie die Unterwasser-Segelmaschine, die sich ein anderer von Bolingbrokes Günstlingen im letzten Monat ausgedacht hatte –, aber Bolingbroke hatte seine Freude daran, und vermutlich hielt es auch den Uhrmacher davon ab, noch bizarrere mechanische Kuriositäten zu erfinden, die womöglich eher gefährlich als unterhaltsam waren. Mit einem Federstrich wies Neville dem Exzentriker für das nächste Jahr einen Betrag von neun Pfund zu. Das sollte für seine Unterkunft und Verpflegung ausreichen.
Neville war jedoch nicht allein bei seiner Arbeit. Zwei Schreiber waren an einem Pult ihm gegenüber damit beschäftigt, die Korrespondenz zu führen, die das Leben eines hochrangigen Edelmannes mit sich brachte, während ein weiterer zwischen Regalen, Truhen und Aktenschränken hin und her eilte und Neville all das heraussuchte, was er für seine Arbeit brauchte. Wie üblich stand Robert Courtenay an der Tür, spielte nervös mit seinem Dolch und hielt sich bereit, für den Fall, dass Neville etwas aus dem Savoy Palace benötigte. Außerdem saß Margaret auf einem Stuhl nahe dem Kamin an einem fast niedergebrannten Feuer, stopfte eines von Nevilles Hemden und behielt Rosalind im Auge, die zu ihren Füßen mit einer großen, dicken getigerten Katze spielte, die schläfrig vor sich hin schnurrte.
Neville legte die Schreibfeder beiseite und faltete den Bericht über den Navigationsapparat sorgfältig zusammen. In Gedanken versunken, fuhr er bedächtig mit der Hand über die Falten, damit das Pergament bei der Lagerung möglichst wenig Platz wegnahm. Im Zimmer war es warm und behaglich; es freute ihn, Margaret und Rosalind bei der Arbeit um sich zu haben, und einige der Berichte und Schriftstücke, die er in den letzten ein bis zwei Stunden durchgesehen hatte, waren höchst aufschlussreich gewesen… doch eigentlich wollte Neville die ganze Zeit über lieber an einem anderen Ort sein.
Irgendwo dort draußen fiel die Entscheidung über das Schicksal der ganzen Welt – und er saß hier fest und kümmerte sich um nebensächliche Dinge, die schließlich keinerlei Bedeutung hatten.
Er rutschte missmutig hin und her, und Courtenay und Margaret warfen ihm einen besorgten Blick zu, schwiegen jedoch, weil sie den Grund für seine Verärgerung kannten. Es war derselbe Grund, der Courtenay unruhig von einem Fuß auf den anderen treten ließ.
In diesem Augenblick fand sich das Parlament im Kapitelsaal der Abtei von Westminster ein. Lancaster, Bolingbroke, Raby und Gloucester waren alle dort versammelt, doch für Gefolgsleute war in dem Saal kein Platz, und deshalb hatte
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