Diener des Boesen
ihre Mutter in einem solch aufgelösten Zustand sah?
»Margaret«, sagte Mary de Bohun, »macht Euch keine Gedanken. Meiner Mutter wird es gleich wieder gut gehen. Es ist nur… in ihrem Alter…«
Dankbar dafür, dass Mary ihre Unsicherheit erkannt und sie daraus errettet hatte, lächelte Margaret und nickte. »Ich habe gehört, Mylady, dass die Phase, wenn der weibliche Zyklus nachlässt und schließlich ganz wegbleibt, eine schwierige Zeit im Leben einer Frau ist.«
»Aber wir müssen Gott dafür danken, wenn wir die Gefahren der Kindgeburt überleben, um überhaupt ein solches Alter zu erreichen, Margaret.«
Margaret nickte und betrachtete Mary schweigend. Sie war eine schlanke Frau mit dichtem, honigfarbenem Haar und schimmernden, haselnussbraunen Augen. Man konnte sie nicht eben als schön bezeichnen, aber sie war recht ansehnlich. Und trotz ihrer hohen Stellung und ihres großen Reichtums war Mary weitaus bescheidener, als es die Sitte erforderte. Als Margaret neben ihr Platz genommen hatte, hatte sie sie zunächst für hochmütig und abweisend gehalten, doch in der letzten halben Stunde war ihr klar geworden, dass Mary zwar ein wenig zurückhaltend war, doch nichts dagegen einzuwenden hatte, sich einer neuen Gefährtin gegenüber zu öffnen, die nicht nur von niedererem Rang war als sie, sondern deren Ruf zudem auch noch befleckt war. Mary war sicher zu Ohren gekommen, dass Margarets Tochter außerhalb der Ehe geboren worden war, auch wenn sie möglicherweise nichts von Margarets Affäre mit dem Grafen von Westmorland, Ralph Neville, während ihrer Zeit in Frankreich wusste.
Margaret hatte außerdem festgestellt, dass Hal recht hatte: Mary war tatsächlich von irgendeiner Krankheit befallen. Ein leichter Schatten lag in ihren Augen; die kaum wahrnehmbare Spur von etwas Finsterem und Bösartigem, das sich unter der Oberfläche verbarg.
Margaret erschauerte, denn aus Hals Worten und ihren eigenen Beobachtungen – schließlich war sie vor ihrer Ehe mit Thomas zehn Jahre lang mit einem schwer kranken Mann verheiratet gewesen – schloss sie, dass irgendeine zehrende Krankheit von Mary Besitz ergriffen hatte.
Nachdem sie den Schatten gesehen hatte, wusste Margaret, dass Marys schlanke Gestalt nicht nur darauf zurückzuführen war, dass sie sich beim Essen zurückhielt, und ihre Wangen nicht nur deshalb so blass waren, weil sie sich nicht der Sonne aussetzte. Und ihre glänzenden Augen deuteten womöglich weniger auf ein fröhliches Gemüt hin als vielmehr auf ein Fieber, das noch nicht zum Ausbruch gelangt war.
Die Anzeichen von Marys Krankheit waren noch so schwach und wenig wahrnehmbar, dass sogar Mary selbst sie vermutlich noch nicht bemerkt hatte.
Wie typisch für Hal, dachte sie, dass er ihre Krankheit gesehen und sofort die Möglichkeiten erkannt hatte, die sich daraus ergaben. Und wie traurig, dass diese wunderbare Frau auf diese Weise ausgenutzt werden sollte. Von ihrem zukünftigen Gemahl nicht wegen ihres freundlichen Wesens geschätzt, sondern weil sie bald das Zeitliche segnen würde.
»Margaret«, sagte Mary und runzelte die Stirn. »Warum schaut Ihr mich so an?«
Margaret wurde rot und ließ den Blick sinken. »Es tut mir leid, Mylady. Ich… habe mich lediglich an meine eigenen Zweifel vor meiner Hochzeit erinnert.«
Als sie die Worte ausgesprochen hatte, wurde Margaret noch röter. Und wenn Mary nun gar keine Zweifel hatte? Womöglich fühlte sie sich durch Margarets Worte und ihr aufdringliches Verhalten beleidigt?
»Mylady«, fügte Margaret hastig hinzu, »ich habe meine Worte schlecht gewählt. Ich wollte damit nicht andeuten, dass…«
»Keine Sorge«, sagte Mary. »Ihr habt mich nicht beleidigt.«
Sie zögerte und biss sich auf die Unterlippe. »Lady Margaret… ich freue mich, Euch als Gefährtin an meiner Seite zu wissen. Ich bin dankbar dafür, mich einer Frau anvertrauen zu können, die in meinem Alter ist.«
Mary blickte sich rasch im Gemach um, um sich zu vergewissern, dass die anwesenden Bediensteten nicht in Hörweite waren. »Ihr seid selbst einmal eine Jungfrau gewesen und seid nun verheiratet und habt ein Kind. Ihr habt die Reise unternommen, die auch mir bald bevorsteht.«
Margaret neigte den Kopf, als ihr klar wurde, dass Mary durchaus Zweifel an ihrer bevorstehenden Hochzeit hegte. Nun, das überraschte sie nicht.
»Mylady«, sagte sie, »es ist eine Reise, die die meisten Frauen unternehmen. Und die meisten von ihnen überleben sie.«
Wenn auch nicht ohne
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